05.01.2021, grundlegend überarbeitet am 12.01.2021
Anfrage legt womöglich bedenkliche Entwicklung offen
Eine Anfrage von mir an die Bundesregierung ergab: Im Güterverkehr zwischen China und Deutschland kommt immer häufiger der Lastwagen zum Einsatz. Eine fürs unser Klima verheerende Entwicklung?
Die Gütermengen, die auf dem Seeweg transportiert werden, stagnieren mindestens seit dem Jahr 2015 (auf diesen Zeitraum bezieht sich meine Datenabfrage). Bei der Bahn gibt es zwar (auf deutlich geringerem Niveau, hier bezogen auf China – Europa inkl. Russland) noch ein Wachstum, dieses verlangsamt sich jedoch sehr deutlich. Von 2015 auf 2016 und dann nochmal auf 2017 waren jeweils mehr als Verdopplungen zu verzeichnen. Von 2018 auf 2019 gab es noch ein Plus um ein Drittel, das es auch im Corona-Jahr 2020 wieder geben könnte. Die Daten zum Zugverkehr schließen den Russlandverkehr mit ein.
Per Straße wurden 2019 erstmals Gütermengen erfasst, waren aber noch verschwindend gering. Allerdings ist die relative Steigerung um den Faktor 58 (!) bis Ende Oktober 2020 erschreckend. Sollte sich daraus ein Trend entwickeln, was derzeit nicht absehbar ist, wäre dies fürs Klima eine Katastrophe. Der Lastwagen hat im Vergleich zur Bahn eine erheblich schlechtere Umweltbilanz, was an der geringen Energieeffizienz und dem fossilen Energieträger Diesel liegt. Übrigens befindet sich unter den Unternehmen, die Güter auf dieser riesigen Distanz per Lastwagen transportieren, auch die Deutsche Bahn-Tochter Schenker. Konkurrenz zur Schiene aus dem eigenen Haus!
Die Zahlen stammen aus der Antwort der Bundesregierung. Diese sind zwischen den Verkehrsträgern jedoch nicht vergleichbar, da es sich mal um Zahlen für Europa inklusive Russland und mal um Zahlen nur für Deutschland handelt. Die – ausgehend von geringem Niveau – deutlich steigenden Zahlen der Lastwagentransporte müssen näher betrachtet werden. Nach eigenen Recherchen und Einschätzungen aus der Fachbranche handelt es sich vermutlich meist nicht um durchgehende Lkw-Transporte, sondern um Verkehre, die teilweise auf der Schiene und auf teilweise langen Abschnitten per Lkw abgewickelt werden. So ist beispielsweise bekannt, dass es im Westen von China an Terminals fehlt, in denen Güter vom Lkw auf die Bahn umgeladen werden können. Zwischen Russland und der europäischen Normalspur können die Züge nicht durchfahren. Es ist wahrscheinlich, dass hier ein Teil der Güter wieder auf Lastwagen verladen werden, um an die Bestimmungsorte gefahren zu werden. Weitere Faktoren zugunsten des Lkw sind: Kapazitätsengpässe auf der Schiene und (coronabedingt) Engpässe bei der Luftfracht, extrem niedrige Kostenstrukturen bei Einsatz von fernöstlichen und zentralasiatischen Fahrern sowie stets begleitete Fahrten, während bei Standzeiten der Bahn teilweise Sicherheitspersonal eingesetzt werden muss. Bekannt ist auch, dass einzelne Logistiker daran arbeiten, die den Gütertransport zwischen China und Europa per Lastwagen zu etablieren. So gab es sogar bereits Testläufe zwischen China und Spanien.
Dazu habe ich gegenüber der Presse folgendes Statement abgegeben (nicht überarbeitet):
„China hat die Entwicklung der ‚eisernen Seidenstraße‘ in den letzten zehn Jahren mit aller Macht vorangetrieben. Als im Oktober 2008 der erste Containerzug aus China den Hamburger Hafen erreichte, wurde der Landtransport über den Schienenweg noch von einigen belächelt. Mittlerweile hat sich der Bahntransport zwischen dem Reich der Mitte und Europa zu einer festen Größe entwickelt. Allein in den letzten fünf Jahren konnten die Güterbahnen ihr Aufkommen mehr als verzehnfachen, so dass heute gut ein Fünftel des ‚Chinaverkehrs‘ mit der Bahn abgewickelt wird. Allerdings hat sich das Wachstum auf der Schiene deutlich abgeflacht. Beim Transport per Seeschiff gibt es nahezu eine Stagnation.
Erst in den letzten Jahren taucht auch der Lkw-Transport auf dieser transkontinentalen Verbindung auf. Es ist sehr bedenklich, dass die DB-Tochter Schenker auf einer solchen Langstrecke überhaupt Güterverkehr auf der Straße anbietet. Das ist wieder ein Beispiel, dass Schenker im DB-Konzern nicht wirklich Synergien aktiviert, denn sonst würde Schenker die mittlerweile zahlreichen Bahnverbindungen von DB-Cargo und den chinesischen Kooperationspartnern nutzen. Schenker ist vielmehr Konkurrenz zur Bahn und greift das Kerngeschäft des Mutterkonzerns an. Wer auf einer rund 10.000 Kilometer langen Verbindung auf den Lkw setzt, muss sich ernsthaft fragen lassen, ob er die Zeichen der Zeit erkannt hat. Wenn immer Mehr Güter auf diesem langen Weg per Lastwagen transportiert werden, dann läuft etwas gewaltig schief. Offenbar ist der Transport mit Lastwagen deutlich zu preiswert, weil die enormen Umweltschäden preislich nicht abgebildet werden. Dieser klimapolitische Unfug gehört umgehend beendet!“