Zuletzt aktualisiert am 02.04.2016
Der Wahlerfolg der Grünen in Baden-Württemberg lässt sich nicht für die Bundesebene kopieren. Das ist Konsens. Aber daraus zu lernen und einige Dinge abzuschauen ist möglich – und nötig. Was kann das sein? Dazu habe ich mir einige Gedanken gemacht und hier zusammen gestellt:
- Es ist Winfried Kretschmann und den Grünen in Baden-Württemberg nach einer guten Regierungsarbeit und mit einem professionellen Wahlkampf gelungen, im bürgerlichen Umfeld massiv Stimmen zu gewinnen, ohne Stammwähler zu verprellen und Stimmen nach links zu verlieren. Und es ist gelungen, auch in ländlich geprägten Regionen deutliche Stimmenzuwächse zu erzielen. Das muss auf Bundesebene eine breite Debatte über den künftigen grünen Kurs auslösen.
- Das Wahlergebnis in Baden-Württemberg zeigt uns Grünen, dass wir uns auch auf Bundesebene nicht mit 9–11 Prozent zufrieden zu geben brauchen. Es gibt keinen Grund, sich vor guten Wahlergebnissen zu fürchten. Gute Wahlergebnisse müssen kein Verrat an grüner Politik darstellen, sind aber die Voraussetzung dafür, gute grüne Politik umsetzen zu können!
- Es wäre falsch, sich irgendwo zwischen SPD und Linken zu verorten und sich dort hinein zu quetschen. Die Grünen können bei den Wählerinnen und Wählern am besten punkten und politisch am meisten bewegen, wenn sie sich zwar thematisch breit aufstellen, aber ihre Kernkompetenzen deutlich sichtbar in den Mittelpunkt stellen. Dies sind die Ökologie in Verbindung mit ökologischem Wirtschaften sowie die liberale Bürgergesellschaft. Dabei geht es um den Blick nach vorne und ein Denken weit über eine Legislaturperiode hinaus.
- Die soziale Gerechtigkeit wird ein weiteres wichtiges Thema darstellen. Für uns Grüne sollte dabei die „Chancengerechtigkeit“ im Vordergrund stehen. Wer ernsthaft Arbeitslosigkeit und Armut bekämpfen will, darf sich nicht auf die Milderung der Symptome, sondern muss sich auf die Beseitigung der Ursachen konzentrieren. Baden-Württemberg hat es erfolgreich vorgemacht: Massiver quantitativer und qualitativer Ausbau der frühkindlichen Bildung, Verbesserung der schulischen Bildungsangebote, Förderung der Schulsozialarbeit, Einführung des sozialen Arbeitsmarktes. Zudem notwendig ist die Stärkung von Beratungsstellen durch eine bessere und dauerhaft gesicherte Personalausstattung. Die Wiederholung von Fehlern aus dem Bundestagswahlkampf 2013, die in einen die eigentlichen Ziele verwässernden Umverteilungs- und Steuererhöhungs-Wettbewerb gemündet sind, sollten im kommenden Jahr vermieden werden. Grüne Sozialpolitik unterscheidet sich von der der SPD und erst Recht der Linkspartei. Damit stehen wir Grünen quer zum traditionellen Parteienspektrum und sind attraktiv für breite Wählerschichten. Das Kategorisieren in Links-Rechts-Schemas hat sich weitgehend überholt und immer weniger Menschen können damit etwas anfangen.
- Baden-Württemberg macht deutlich, wie weit weg die Grünen auf Bundesebene häufig von den Wahrnehmungen vieler Bürger/innen sind – wenn auch nicht immer in der Sache, dann umso häufiger im Auftreten und in der Kommunikation.
- Wir sollten uns auf Bundesebene Bündnisoptionen sowohl mit SPD und CDU und auch Dreierbündnisse mit Linken und FDP offen halten. Schließlich entscheiden in Demokratien die Wählerinnen und Wähler über die rechnerischen Möglichkeiten für eine Regierungsbildung und die Parteien anschließend anhand der durchsetzungsfähigen Inhalte und strategischen Aspekte darüber, worauf sie sich einzulassen bereit sind. Bis dahin kämpfen wir um ein möglichst gutes grünes Ergebnis und damit ein starkes Gewicht in möglichen Koalitionsverhandlungen.