Herr Gastel, pro Tag wächst die Konzernverschuldung seit dem Jahr 2016 um fünf Millionen Euro pro Tag. Der Schuldenberg liegt derzeit bei mehr als 30 Milliarden Euro. Dabei wurden der DB mit der Bahnreform 1994 alle Schulden erlassen. Ist die Deutsche Bahn ein Fass ohne Boden?
Die Gründe sind vielfältig: Der Bund hat zu wenig selbst in die Infrastruktur investiert, die politischen Rahmenbedingungen sind insbesondere für einen wirtschaftlichen Güterverkehr auf der Schiene nicht zureichend und dann gibt es sicher auch Managementfehler. Wir haben mit dem Verkauf von Schenker hohe Erlöse in die Kasse der DB gespült, mit denen Schulden abgebaut werden können. Zudem kann sich der Bahnkonzern nun wieder mehr auf sein Kerngeschäft, die Bahn in Deutschland, konzentrieren.
Die Deutsche Bahn ist seit 1994 eine Aktiengesellschaft. Doch der Börsengang ist längst ad acta gelegt. Warum belässt es der Bund als einziger Anteilseigner der DB bei dieser Rechtsform, die ihm weniger Einflussmöglichkeiten gibt?
Wichtig ist, dass der Konzern besser kontrolliert und gesteuert wird. Der Bund bzw. die Politik soll sich aber nicht ins operative Geschäft einmischen. Hier hat die Europäische Union auch klare Grenzen gesetzt. Daher ist die jetzige Rechtsform nicht ganz unlogisch. Die drei Verkehrssparten agieren auf einem Wettbewerbsmarkt. Da muss unternehmerisch agiert werden. Anders ist es bei der Infrastruktur, einem Monopol. Netz und Stationen müssen allen Eisenbahnunternehmen diskriminierungsfrei zur Verfügung gestellt werden. Hier greift ein Stück weit die erste Bahnreform seit 30 Jahren, die Anfang 2024 umgesetzt wurde: Wir haben die Infrastruktur am Gemeinwohl ausgerichtet. Als nächstes braucht es eine bessere Steuerung und verlässlichere Finanzierung der Infrastruktur.
Wie könnte sich der Bund mehr Einfluss bei der DB verschaffen?
Der Bund hat Einfluss. Er ist in den Aufsichtsräten vertreten und steuert den Bereich der Infrastruktur über die Bundeszuschüsse. Was es braucht, sind aussagekräftige und auch prognostische Kennzahlen. Hier sind das Verkehrs- und Finanzministerium leider nicht in die Gänge gekommen. Dazu braucht es einen weiteren Kompetenzaufbau auf der Seite des Bundes, um mit der DB InfraGO gemeinsam den Zustand des Netzes zu analysieren und den gezielten Ausbau anzugehen. Das ist der Schlüssel zum guten Bahnsystem in der Schweiz.
Wir wollen, dass der Aufsichtsratsvorsitzende der InfraGO AG nicht im Konzernvorstand sitzen darf. Die Infrastruktursparte muss stärker vom Konzern entflochten werden.
Wie kann ein besseres Management der DB AG sichergestellt werden?
Beispiel Infrastruktur: Bisher war der Bund nur bei der Dividende, die er im Bundeshaushalt als Einnahme verbuchen wollte, klar. Die gibt es heute mit der Gemeinwohlorientierung der DB InfraGO nicht mehr. Stattdessen haben wir das Management auf Ziele verpflichtet, zum Beispiel die Schaffung von Leistungsfähigkeit auf einer qualitativ guten Eisenbahninfrastruktur.
Ist das derzeitige Modell des integrierten DB AG-Konzerns, das sowohl Infrastruktur als auch Bahnbetrieb umfasst, noch sinnvoll? Wenn ja, warum?
Die gewinnorientierten Bereiche, die sich dem Wettbewerb stellen müssen, und die Verantwortung für ein Monopol, das dem Gemeinwohl verpflichtet ist, passen nur schwer unter ein Dach. Mit DB InfraGO haben wir die erste Strukturreform bei der Deutschen Bahn seit 30 Jahren gestartet. Wir haben Netz und Stationen zusammengelegt, den Gewinndruck herausgenommen, Ziele neu definiert und Schnittstellen sowie Vorstandspositionen reduziert. Wir arbeiten an weiteren Reformschritten unter dem Dach der Holding. Damit erwarten wir, dass eine Herauslösung gar nicht mehr erforderlich ist. Das würde enorme Widerstände auslösen, den Konzern wegen der Komplexität des Vorhabens für einige Zeit lähmen und lange dauern. Sachlich spräche viel für eine Herauslösung der Infrastruktur. Allerdings zeigen Österreich und die Schweiz, dass es mit integrierten Konzernen funktionieren kann. Entscheidend sind klare Aufgabenstellungen, eine wirksame Kontrolle und die Transparenz sowie eine gesicherte Finanzierung.
Warum wirkt der Bund nicht stärker auf die DB ein, das vielfältige Engagement der Bahn im In- und Ausland, beispielsweise in Kanada und Ägypten, zu beschränken? Und stattdessen die Aufgaben in Deutschland energischer wahrzunehmen?
Während unserer Regierungszeit wurden große, global agierende Konzerntöchter wie Arriva und Schenker verkauft. Damit konzentriert sich die DB nun wieder stärker auf die Schiene und auf Deutschland. Die Anzahl der Unternehmenstöchter der DB haben wir von 730 auf nur noch 270 reduziert. Damit wurde das Unternehmen schlanker und besser steuerbar.
Wie kann der Bund sicherstellen, dass das Ziel der DB, mehr Bundesgeld mit gleichzeitig weniger Kontrolle, nicht aufgeht?
Der Bund verhindert das durch eine klare Steuerung der Infrastruktur anhand von Zielen. Es muss vertraglich vereinbart werden, welche Verbesserungen mit dem bereitgestellten Geld erreicht werden sollen. Werden diese Ziele nicht erreicht, braucht es eine Nachprüfung sowie die Ableitung von Verbesserungsmaßnahmen und gegebenenfalls eine Sanktionierung.
Hinweis: Dieser Text entspricht nicht 1:1 dem in der Lokalzeitung veröffentlichten Text.