
12.07.2021
Das Interview erschien im Fachmagazin “Bahn-Report”
Im Interview: “Setzen auf wachsenden Bahnmarkt”
- Die EVG schreibt in Ihrer Postille „imtakt“,“Die GRÜNEN fordern nicht mehr offensiv die Trennung von Netz und Betrieb“ Mit dazu beigetragen hätten „grüne EVGler“. Sind die GRÜNEN nun so gefährlich, dass die EVG extra eine Kampfgruppe GRÜN gründen musste?
Wir sind eine Gefahr für alle, die in der Verkehrspolitik nichts verändert haben wollen und an Gewohntem, auch wenn es sich nicht bewährt hat, festhalten wollen. Da wir die Verkehrswende und die Einhaltung von Klimazielen auch im Verkehrssektor im Interesse kommender Generationen gegenüber für unbedingt notwendig halten, wollen wir Veränderungen bei der Infrastrukturpolitik und im Personen- wie im Güterverkehr. Dabei sehen wir Gewerkschaften wie Umweltorganisationen als Partnerinnen einer Politik, die auf eine starke Bahn setzt. Wir wollen, dass mit dem Schienennetz zukünftig keine Gewinne mehr erwirtschaftet werden müssen. Wir wollen auch, dass alle Eisenbahnverkehrsunternehmen den freien Netzzugang bekommen – ohne eine immer komplizierter werdende Regulierung, die längst zur Wachstumsbremse für den Bahnsektor geworden ist. Das alles geht nicht in den gegenwärtigen Strukturen. Wir wollen die Infrastruktur in einer bundeseigenen Infrastrukturgesellschaft gewinnfrei geführt, unterhalten und ausgebaut bekommen. Aufgabe der Gesellschaft ist es darüber hinaus, die Infrastruktur bestmöglich auszulasten und damit einen Beitrag zur Mehrung des Bahnverkehrs zu Lasten von Straße und Flugverkehr zu leisten.
- Sie haben den DB-Konzern wiederholt als nicht beherrschbar und nicht steuerbar bezeichnet. Warum fürchtet gerade die EVG ein Aufräumen im DB-Konzern und wie könnte man den Eisenbahnern die Angst vor Verlusten nehmen?
Wir wollen, dass die Deutsche Bahn ein Unternehmen des Bundes bleibt. Dann muss sie sich aber auch wieder auf ihr Kerngeschäft, die Eisenbahn in Deutschland und gerne auch im benachbarten europäischen Ausland, konzentrieren. Es gibt hierzulande viel zu tun und mit unseren grünen Ideen viel zu gewinnen. Die Grünen setzen auf einen stark wachsenden Bahnsektor. Hierfür haben wir als Bundestagsfraktion in unserem Bahnpapier viele konkrete Vorschläge formuliert. Es geht um weniger Straßen- und mehr Schienenbau, um die Verbesserung der Wettbewerbsposition der Bahn gegenüber dem Straßen- und Flugverkehr, die deutliche Ausweitung von Bahnangeboten und vieles mehr. Keine andere Fraktion im Deutschen Bundestag verfolgt auch nur annähernd so weitreichende Ziele für die Stärkung der Bahn und beschreibt auch nur annähernd so konkret, wie sich diese Ziele erreichen lassen. Dabei haben wir den gesamten Sektor, von der Bahnindustrie über die Infrastruktur- bis hin zu den Eisenbahnverkehrsunternehmen im Blick. In einem wachsenden Sektor ist die Sorge um Arbeitsplätze unbegründet. Die Deutsche Bahn stellt, ähnlich wie andere Unternehmen in der Bahnbranche auch, Personal ein und baut dieses nicht ab. Dies unterstützen wir ausdrücklich, da diese Menschen für die Verbesserung der Betriebsqualität und die Ausweitung der Angebote benötigt werden.
- Das GRÜNE Eisenbahnprogramm ist maßgeblich von Ihnen geschrieben worden. Es schürt unheimliche Erwartungen zu schneller Realisierung des Deutschland-Taktes, schnellen Ausbau von Infrastruktur, mehr Güter auf der Schiene und damit auch erst einmal Lärm, pünktlicheren Zügen, günstigere Fahrpreise und und und. Muss man da nicht scheitern?
Wir sind wild entschlossen, Verkehre von Auto, Lastwagen und Flugzeug in deutlichem Umfang auf die Bahnen zu verlagern. Genau so wild entschlossen sind wir, die dafür erforderlichen Entscheidungen zu treffen und beispielsweise das Netz auszubauen, den Deutschlandtakt Schritt für Schritt umzusetzen und zugleich beim Straßenbau auf die Bremse zu treten, die Subventionen der Regionalflughäfen einzustellen und fossile Kraftstoffe zu verteuern. Das alles wollen wir im Dialog mit der Branche machen. Beispiel Netzausbau: Mit mehr Personal für die Planung, aber auch der Genehmigung beim Eisenbahnbundesamt sowie mit konsequenter, dialogorientierter frühzeitiger Bürgerbeteiligung kommen wir mit dem Ausbau schneller voran.
- GRÜN stellt inzwischen in fünf Bundesländern den Verkehrsminister bzw. die Verkehrssenatorin. Praktisch alle Eisenbahngesetze sind im Bundesrat zustimmungspflichtig. Trotzdem nehme ich grüne Bahnpolitik im Bundesrat nicht wahr. Ganz anders als unter Rot-Grün die grüne Bundestagsfraktion über Bande mit den Ländern versuchte auf die von Hartmut Mehdorn und Gerhard Schröder geprägte unwillige Bahnpolitik Einfluss zu nehmen. Was läuft da schief?
Der Bundesrat eignet sich nur sehr bedingt für Politik nach Parteifarbe. Da es dort immer um Bundesgesetze geht, wird sich bei allem, was der Verkehrswende und dem Klimaschutz dient, einiges ändern, wenn wir Grünen im Bund mitregieren und die Gesetze eine erkennbar grüne Handschrift tragen. Das gilt beispielsweise für den Deutschlandtakt: Dafür müssen Systemtrassen definiert werden, die bei der Trassenvergabe vorrangig behandelt werden. Dies gilt auch für die Trassenpreise: Diese wollen wir dauerhaft auf das Grenzkostenniveau senken, um ein klares Preissignal für die Bahn zu setzen.