Bahn-Innovationen auf der Messe

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22.09.2018

… aber wann auf dem Gleis?

Bericht über einen Besuch auf der Bahn­mes­se Inno­trans

Bat­te­rie­elek­tro­ni­scher Zug von Stad­ler

Stad­ler war­te­te neben Sie­mens und Bom­bar­dier mit einem bat­te­rie­elek­tri­schen Regio­nal­zug auf. Wie die Fahr­zeu­ge der Mit­be­wer­ber kann der Stad­ler-Flirt mit Akku auf elek­tri­fi­zier­ten Stre­cken­ab­schnit­ten und Bahn­hö­fen mit Ober­lei­tung mit­tels Pan­to­graph die Bat­te­rie auf­la­den und natür­lich direkt den Fahr­mo­tor spei­sen. Nur in nicht elek­tri­fi­zier­ten Abschnit­ten wird die Trak­ti­ons­en­er­gie aus dem Akku bezo­gen. Damit bie­ten sich die­se neu­en Züge für nicht durch­ge­hend elek­tri­fi­zier­te und für eher kür­ze­re, ober­lei­tungs­freie Stich­stre­cken, die von einem elek­tri­fi­zier­ten Bahn­hof abzwei­gen, an. Stad­ler gibt die rein bat­te­rie­elek­tri­sche Reich­wei­te sei­nes Zuges, für den bereits die Zulas­sung vor­liegt, mit 80 Kilo­me­ter an. Er fährt dann bis zu 140 Stun­den­ki­lo­me­ter schnell, mit Ober­lei­tung sind 20 km/h mehr mög­lich. Ein kom­plett ent­leer­ter Akku lädt in nur 20 Minu­ten auf. Das Unter­neh­men aus Ber­lin, das im Gespräch beton­te, dass 82 Pro­zent der Tei­le aus deut­scher Fer­ti­gung stam­men, betei­ligt sich an Aus­schrei­bun­gen in Schles­wig-Hol­stein und Nord­rhein-West­fa­len.

Stad­ler, das auch die Stadt­bahn­wa­gen für Stutt­gart baut, hat auf der Inno­trans so vie­le Züge prä­sen­tiert wie kein ande­res Unter­neh­men.

Mit­tel­puf­fer­kupp­lung von Voith Hei­den­heim

Son­der­lich inno­va­ti­ons­freu­dig ist die Bahn­bran­che bis heu­te nicht. Am sicht­bars­ten zeigt sich dies in der seit 150 Jah­ren gebräuch­li­chen Schrau­ben­kupp­lung. Die Güter­wa­gen müs­sen ein­zeln von Hand anein­an­der gekup­pelt wer­den. Dazu müs­sen Bahn­mit­ar­bei­ter zwi­schen die Güter­wa­gen stei­gen – ein gefähr­li­cher und zeit­rau­ben­der Job, der noch dazu die Wirt­schaft­lich­keit des Güter­trans­ports auf der Schie­ne alt aus­se­hen lässt. Bereits in den 1960er-Jah­ren wur­de ein wesent­lich ein­fa­che­res, voll­au­to­ma­ti­sches Kupp­lungs­sys­tem ent­wi­ckelt, das in den 1970er-Jah­ren netz­weit ein­ge­führt wer­den soll­te. Die dafür not­wen­di­ge kost­spie­li­ge Umrüst­pha­se war ein Grund, war­um die Staats­bah­nen die­sen Schritt letzt­end­lich nicht wag­ten, obwohl der volks­wirt­schaft­li­che Nut­zen posi­tiv aus­fällt. Die Voith Car­go­Flex, Typ Schar­fen­berg, geht in ihrem Grund­auf­bau auf die im Per­so­nen­ver­kehr seit Jahr­zehn­ten inter­na­tio­nal weit ver­brei­te­te Schar­fen­berg-Kupp­lung zurück. Im Wesent­li­chen hat Voith die bekann­te Kupp­lung für den Güter­ver­kehr adap­tiert (ins­be­son­de­re Anpas­sung für die deut­lich höhe­ren Zug- und Druck­kräf­te). Der Typ Voith Car­go­Flex Hybrid ist grund­sätz­lich für einen Über­gangs­zeit­raum auch kom­pa­ti­bel mit der Schrau­ben­kupp­lung. Alle Güter­wa­gen las­sen sich mit dem Sys­tem nach­rüs­ten. Vor­rei­ter, so erfah­ren wir im Gespräch, sind die Schwei­zer SBB. Lang­sam käme auch die Deut­sche Bahn, DB Car­go ließ 120 älte­re Güter­wa­gen umrüs­ten. Kos­ten­güns­tig ist die Umrüs­tung für 12.000 Euro pro Kupp­lung nicht, rech­net sich aber über die Betriebs­jah­re und mit stei­gen­den Stück­zah­len sol­len die Kos­ten sin­ken.

Eini­ge Infos zu Voith: Das fami­li­en­ge­führ­te Unter­neh­men mit Haupt­sitz in Hei­den­heim (Schwä­bi­sche Alb) beschäf­tigt 20.000 Men­schen. Es pro­du­ziert bei­spiels­wei­se auch Was­ser­kraft­tur­bi­nen und Getrie­be. Neu im Ange­bot ist ein E‑Bus, der in Koope­ra­ti­on mit dem pol­ni­schen Bus­her­stel­ler Sola­ris gebaut wird.

For­schungs­pro­jekt inno­va­ti­ver Güter­wa­gen

Die DB Car­go AG und der Güter­wa­gen­be­trei­ber VTG AG haben gemein­sam den Zuschlag für die Auf­trags­for­schung mit dem Titel „Auf­bau und Erpro­bung von Inno­va­ti­ven Güter­wa­gen“ zur Unter­su­chung der Migra­ti­on lärm­min­dern­der und ener­gie­ef­fi­zi­enz­stei­gern­der Tech­no­lo­gien in Güter­wa­gen erhal­ten.

An vier ver­schie­de­nen Güter­zü­gen wur­den und wer­den unter­schied­lichs­te Kom­po­nen­ten und Tech­no­lo­gien prak­tisch erprobt. Die Ergeb­nis­se des Pro­jek­tes sol­len den Ein­satz von inno­va­ti­ven Güter­wa­gen beschleu­ni­gen, die lei­ser, ener­gie­ef­fi­zi­en­ter und gleich­zei­tig wirt­schaft­li­cher als die bis­her ein­ge­setz­ten sind. Zwei kon­kre­te Bei­spie­le: Um die Lärm­ab­schal­lung am Rad zu redu­zie­ren, neh­men Ring­ele­men­te die Schwin­gungs­en­er­gie des Rad­sat­zes auf und wan­deln die­se in Wär­me­en­er­gie um. Mit einem neu­en Brems­sys­tem kön­nen alle Wagen eines Zug­ver­bun­des gleich­zei­tig brem­sen, wodurch sich der Zug genau­er auf die Ziel­ge­schwin­dig­keit abbrem­sen lässt und Ener­gie ein­ge­spart wer­den kann.

Die Zwi­schen­er­geb­nis­se der Test­läu­fe klin­gen erfolg­ver­spre­chend: Ein­spa­rung an Trak­ti­ons­en­er­gie in Höhe von ‑3% bis ‑8% und Lärm­re­du­zie­rung von ‑4dB(A) bis ‑7dB(A) im Ver­gleich zu den aktu­ell gül­ti­gen Grenz­wer­ten. Nun ist wich­tig, dass die Inno­va­tio­nen, wenn sie sich in wei­te­ren Tests bestä­ti­gen, mög­lichst schnell aufs Gleis kom­men. Dafür soll­te das tech­nisch mach­ba­re (und wirt­schaft­lich ver­tret­ba­re) zum Stan­dard wer­den.

Bat­te­rie­elek­tri­scher Regio­zug von Sie­mens

Die Ver­tre­ter von Sie­mens began­nen mit der Vor­ge­schich­te des Akku­trieb­zu­ges: Die Brems­ener­gie wei­ter in die Umwelt abzu­ge­ben wur­de vor etwa 15 Jah­ren als zuneh­mend sinn­los ange­se­hen. Man begann mit der Rück­spei­sung ins Netz. Für die Eisen­bahn­ver­kehrs­un­ter­neh­men sei dies aber von der Ver­gü­tung her nicht vor­teil­haft gewe­sen. So sei die Ent­wick­lung bat­te­rie­elek­tri­scher Züge eine logi­sche Kon­se­quenz gewe­sen. Nun, auf der Inno­trans, sei Pre­mie­re. Die Öster­rei­chi­sche ÖBB fährt den Zug bereits test­wei­se, ab Früh­jahr 2019 mit Fahr­gäs­ten. Die tech­ni­schen Daten sind weit­ge­hend mit dem Zug von Stad­ler ver­gleich­bar. Die Höchst­ge­schwin­dig­keit liegt aller­dings – unab­hän­gig davon, ob der Strom gera­de aus der Ober­lei­tung oder dem Akku kommt – bei maxi­mal Tem­po 160. Von einer Ter­ras­se konn­ten wir auf die Lithi­um-Tita­nit-Akkus bli­cken, die sich auf dem Dach des Zuges befin­den. Die­se Akkus sei­en teu­rer, wür­den dafür aber 15 Jah­re und damit län­ger als ande­re durch­hal­ten.

Fazit: Wir beka­men vie­le tech­ni­sche Neue­run­gen zu sehen. Nun kommt es dar­auf an, dass durch eine klu­ge För­der- und For­der­po­li­tik des Bun­des und muti­ge Ent­schei­dun­gen der Unter­neh­men die­se Tech­no­lo­gien tat­säch­lich zur Anwen­dung kom­men. Mehr Effi­zi­enz, weni­ger Lärm und der Aus­stieg aus dem Die­sel­an­trieb ist mög­lich – und not­wen­dig.