Baustellenbesuch an der Gäubahn

Zweites Gleis und neues Stellwerk in Horb

Bei einem Bau­stel­len­be­such habe ich mich gemein­sam mit wei­te­ren Inter­es­sier­ten über den Bau­fort­schritt an der Gäu­bahn infor­miert. Zwi­schen Horb und Horb-Neckar­hau­sen wur­de in den ver­gan­ge­nen Mona­ten ein zwei­tes Gleis gebaut. Die Bau­ar­bei­ten, die auch die Erneue­rung von drei Bahn­über­gän­gen umfas­sen, sind weit­ge­hend abge­schlos­sen. Erfor­der­lich ist dafür ein neu­es Stell­werk, da das alte bald sei­nen 100. Geburts­tag fei­ern wür­de und ein Umbau­ver­bot[1] besteht. Ins­be­son­de­re das nahe­zu fer­tig­ge­stell­te Stell­werk haben wir uns ange­schaut.

Das zwei­te Gleis süd­lich von Horb ist der am wei­tes­ten gedie­he­ne Pla­nungs- und Aus­bau­ab­schnitt an der Gäu­bahn. Es han­delt sich um einen sechs Kilo­me­ter lan­gen Abschnitt. Obwohl poli­tisch unstrit­tig und bau­lich nicht all­zu anspruchs­voll[2], brauch­te es von der ers­ten Plan­über­le­gung bis zur Umset­zung eini­ge Jahr­zehn­te. Wenn die Stre­cke ab dem 28. März 2024[3] zwei­glei­sig befahr­bar sein wird, ist in den Takt­fahr­plä­nen kei­ne Zug­kreu­zung zwi­schen Horb und Neckar­hau­sen vor­ge­se­hen. Der Aus­bau dient viel­mehr der höhe­ren Fle­xi­bi­li­tät in der betrieb­li­chen Durch­füh­rung des Güter­ver­kehrs und der all­ge­mei­nen Resi­li­enz.

Wir konn­ten uns das neue Stell­werk anschau­en, das von der Fir­ma Tha­les gebaut wird. In Neckar­hau­sen befin­det sich ein wei­te­res neu­es Stell­werk. Bei­de wer­den von Rott­weil aus gesteu­ert, wo das Stell­werks­per­so­nal zusam­men­ge­zo­gen wird. Die Stell­wer­ke wer­den aus Mit­teln der Leis­tungs- und Finan­zie­rungs­ver­ein­ba­rung (LuFV, Ersatz­in­ves­ti­tio­nen) finan­ziert, wäh­rend das zwei­te Gleis aus Bedarfs­plan­mit­teln für Aus- und Neu­bau finan­ziert wird.

Wei­te­re Aus­bau­ab­schnit­te

Ent­lang der Gäu­bahn befin­den sich wei­te­re Aus­bau­ab­schnit­te. Unge­wöhn­lich schnell wur­de der Pfaf­fen­steig­tun­nel vor­ge­plant. Wäh­rend die­se die Leis­tungs­pha­sen 1 und 2 umfas­sen­den Pla­nungs­schrit­te übli­cher­wei­se eher meh­re­re Jah­re dau­ern, gelang der Abschluss der Vor­pla­nung für den Pfaf­fen­steig­tun­nel in nur sie­ben Mona­ten. Mit dem Bau­be­ginn wird nach dem Plan­fest­stel­lungs­be­schluss im Jahr 2026 und mit der Fer­tig­stel­lung Ende 2032 gerech­net. Das Pro­jekt kann, obwohl fach­lich durch­aus strit­tig, auf­grund sei­nes Pla­nungs­stan­des und der gerin­gen poli­ti­schen Strei­tig­keit als gesetzt gel­ten. Aus ver­schie­de­nen Grün­den set­ze ich mich für eine ver­än­der­te Bau­wei­se ein, so dass der Tun­nel mit 200 statt wie bis­her vor­ge­se­hen mit Tem­po 160 befah­ren wer­den kann. Ein Grund ist, dass damit die Fern­ver­kehrs­hal­te in Böb­lin­gen und Sin­gen erhal­ten blei­ben kön­nen, ohne die Anschlüs­se in Stutt­gart und Sin­gen zu gefähr­den. Hin­zu kommt, dass das Land Regio­nal­zü­ge bestellt hat, die 200 Stun­den­ki­lo­me­ter fah­ren kön­nen. Wo neu gebaut wird, soll­ten Fahr­zeu­ge und Infra­struk­tur sich ergän­zen. Die Mehr­kos­ten sol­len etwa 20 Mil­lio­nen Euro betra­gen – bei Gesamt­kos­ten von rund einer Mil­li­ar­de Euro. Eine Klä­rung der Geschwin­dig­keits­fra­ge steht der­zeit noch aus, wie mir auf Anfra­ge in die­sen Tagen mit­ge­teilt wur­de.

Vier wei­te­re Pla­nungs­ab­schnit­te lie­gen nörd­lich und süd­lich von der nun besich­tig­ten Bau­stel­le zwi­schen Horb und Neckar­hau­sen. Die­se befin­den sich jedoch lei­der noch immer in frü­hen Pla­nungs­pha­sen. Dabei geht es um ein War­te­gleis in Böb­lin­gen mit 740 Meter Nutz­län­ge, die Geschwin­dig­keits­er­hö­hung zwi­schen Böb­lin­gen und Eutin­gen auf 160 Stun­den­ki­lo­me­ter, einen neu­en, drei Kilo­me­ter lan­gen ein­glei­si­gen Tun­nel zwi­schen Neckar­hau­sen und Sulz (geplant für Geschwin­dig­kei­ten von 160 Stun­den­ki­lo­me­ter), die zwei­glei­si­gen Aus­bau­ten zwi­schen Sulz und Grün­holz (fünf Kilo­me­ter) sowie zwi­schen Grün­holz und Epfen­dorf (12 Kilo­me­ter), den Aus­bau des Bern­burg­tun­nels auf das Pro­fil für den kom­bi­nier­ten Güter­ver­kehr, den zwei­glei­si­gen Aus­bau zwi­schen Riet­heim und Tutt­lin­gen mit Über­hol­gleis (acht Kilo­me­ter), den Aus­bau des Hat­tin­ger Tun­nels für den kom­bi­nier­ten Güter­ver­kehr und schließ­lich den Neu­bau der Umfah­rungs­kur­ve Sin­gen, die für den Güter­ver­kehr vor­ge­se­hen ist. Dass ein neu­er Tun­nel ein­glei­sig gebaut wer­den soll habe ich schon mehr­fach und erneut beim Lokal­ter­min kri­ti­siert. Der Neu­bau von ein­glei­si­gen Stre­cken oder Stre­cken­ab­schnit­ten ist in Deutsch­land schon lan­ge unüb­lich. Mit Aus­nah­me von Ver­bin­dungs­kur­ven stammt die letz­te ein­glei­si­ge Stre­cke ver­mut­lich aus dem Jahr 1998. Es ist aus mei­ner Sicht schlicht­weg unsin­nig, einen lan­gen Eng­pass durch einen neu­en, ledig­lich kür­ze­ren Eng­pass zu erset­zen.

Bau­stel­len­ma­nage­ment auf der Gäu­bahn­stre­cke

Ein Phä­no­men bei der Deut­schen Bahn ist immer wie­der die schlech­te Abstim­mung von Bau­maß­nah­men. Ein Bau­pro­jekt jagt das nächs­te. Dabei wird zu wenig koor­di­niert. Dies betrifft in ganz beson­de­rer Här­te auch die Gäu­bahn. Im Jahr 2023 dürf­te die Gäu­bahn nur an 192 Tagen durch­ge­hend befahr­bar gewe­sen sein (53 Pro­zent). So die Ant­wort auf eine Anfra­ge von mir. Jüngs­tes Bei­spiel ist die Erneue­rung des Würm­via­duks in Ehn­in­gen, die in der Sperr­pau­se bis zum 09. Sep­tem­ber 2023 nicht fer­tig­ge­stellt wer­den konn­te. Wegen Ände­run­gen der Pla­nun­gen wird zwi­schen 08. Janu­ar und (zunächst vor­ge­se­hen) 29. Febru­ar 2024 bzw. 27. März 2024 (so die Mel­dung der DB drei Tage nach unse­rem Lokal­ter­min in Horb) eine erneu­te Stre­cken­sper­rung erfor­der­lich. In die­ser Sperr­zeit sol­len zudem der zwei­glei­si­ge Stre­cken­ab­schnitt bei Horb und das neue elek­tro­ni­sche Stell­werk in Horb abge­nom­men sowie Rest­ar­bei­ten erle­digt wer­den. Im Jahr 2024 sah die Deut­sche Bahn übri­gens – bis zur gera­de schon erwähn­ten Ver­län­ge­rung der Sper­rung – eine durch­ge­hen­de Befahr­bar­keit der Gäu­bahn an 313 Tagen (86 Pro­zent) vor. Übri­gens auch inter­es­sant: Noch im Okto­ber wur­de in einer Ant­wort an mich von anste­hen­den Bau­ar­bei­ten für den Digi­ta­len Kno­ten Stutt­gart (DKS) mit „gerin­gen Aus­wir­kun­gen auf den Zug­ver­kehr“ im Bereich Stutt­gart-Vai­hin­gen geschrie­ben. Nun, im Novem­ber, bekam ich auf eine nahe­zu gleich­lau­ten­de Fra­ge die Ant­wort ohne das Wört­chen „gerin­ge­ren“.

Betriebs­qua­li­tät auf der Gäu­bahn

Das neue Qua­li­täts­ran­king des Lan­des, bei dem das Netz „Gäu/Murr – Netz 3b“ auf dem schlech­ten Platz 26 (von 32) lan­de­te, lässt die erheb­li­chen betrieb­li­chen Pro­ble­me erah­nen. Aller­dings, dies muss ein­schrän­kend erwähnt wer­den: Die­ses Netz umfasst die Stre­cke von Crails­heim bis Rott­weil, also nicht die gan­ze Gäu­bahn-Stre­cke, dafür auch die Stre­cke der Murr­bahn. Zwei der drei erfass­ten Lini­en ver­keh­ren auf der Gäu­bahn: RE 14A (Stutt­gart-Eutin­gen-Rott­weil) und RE 14B (Stutt­gart-Eutin­gen-Freu­den­stadt). Das Netz erreicht 26 von 100 mög­li­chen Punk­ten. In den ers­ten Halb­jah­ren bei­der Vor­jah­re waren die Wer­te noch bes­ser. Die Pünkt­lich­keit lag zuletzt bei 80 Pro­zent (zwei Jah­re zuvor 90 Pro­zent, in 2022 84 Pro­zent). Wei­te­re Bewer­tungs­fak­to­ren wie Zuver­läs­sig­keit, Zug­ka­pa­zi­tät und Sau­ber­keit sind nicht son­der­lich auf­fäl­lig.

Der Aus­bau der Gäu­bahn beschäf­tigt mich seit Jah­ren inten­siv. Hier der Hin­weis auf einen mei­ner letz­ten Bei­trä­ge zum The­ma: https://www.matthias-gastel.de/kritik-an-sanierung-und-ausbau-der-gaeubahn/

[1] Auf­grund des Alters und der Kabel­bruch­ge­fahr unter­sagt das Eisen­bahn­bun­de­amt den Umbau des bestehen­den Stell­werks. Zu hoch wäre das Risi­ko, dass die­ses bei einem Umbau Scha­den neh­men und kaum mehr repa­riert wer­den könn­te.

[2] Es muss­te das mit­tig auf dem Bahn­damm gele­ge­ne Gleis an den Rand gelegt wer­den, um Platz für das zwei­te Gleis zu schaf­fen. Zuvor wur­de der Unter­bau erneu­ert. Fak­tisch ent­spricht der Abschnitt einem Neu­bau.

[3] Wäh­rend der Bear­bei­tung die­ses Bei­trags flat­ter­te eine Mel­dung der DB ins Haus, wonach die Stre­cke nicht ab 01. März 2024, son­dern einen Monat län­ger gesperrt sein wird: „…wer­den sich im März wei­te­re Maß­nah­men im Zusam­men­hang mit dem Digi­ta­len Kno­ten Stutt­gart auf der Stre­cke Stuttgart-Vaihingen–Böblingen sowie Rest­ar­bei­ten für den zwei­glei­si­gen Aus­bau zwi­schen Horb und Neckar­hau­sen anschlie­ßen. Im Rah­men der Aus­ge­stal­tung der Bau­pha­sen hat sich erge­ben, dass auch wäh­rend der Arbei­ten im März Stre­cken­sper­run­gen wie in den Vor­mo­na­ten not­wen­dig sind.“