Bereit zu konstruktiver Opposition!

Zunächst ein­mal Dan­ke an alle, die zu mei­nem erneu­ten Ein­zug in den Deut­schen Bun­des­tag bei­getra­gen haben! Ich freue mich, wei­ter­hin Ver­ant­wor­tung für unser Land und unse­re Demo­kra­tie über­neh­men zu kön­nen und wer­de auch in Zukunft vol­len Ein­satz zei­gen! Dabei wird mir die inhalt­li­che, kon­zep­tio­nel­le Arbeit wich­ti­ger blei­ben als die schnel­le Schlag­zei­le. Eine wei­ter­hin hohe Prä­senz in mei­nem Wahl­kreis wer­de ich sicher­stel­len.

Das Ergeb­nis in Bund, Land und letzt­lich auch in mei­nem Wahl­kreis mag zwar ange­sichts der bekann­ten Umfra­ge­wer­te der letz­ten Wochen und Mona­te kei­ne Über­ra­schung sein. Ent­täu­schend sind die Ergeb­nis­se den­noch. Wir waren als Grü­ne in der Koali­ti­on die trei­ben­de, kon­struk­ti­ve Kraft. Wir konn­ten eini­ges bewe­gen, so beim Aus­bau der erneu­er­ba­ren Ener­gien, für die Stär­kung der Bahn (sie­he mei­ne Bilanz: https://www.matthias-gastel.de/wie-gehts-zwischen-stuttgart-und-tuebingen-weiter/) und für die finan­zi­el­le Ent­las­tung von Fami­li­en. Die „Ampel“ hat­te sich 414 Maß­nah­men vor­ge­nom­men, von denen sie 60 Pro­zent umge­setzt hat und sich wei­te­re 34 Pro­zent zuletzt noch in Umset­zung befan­den.[1] Das ist eine Bilanz, die sich durch­aus sehen las­sen kann. Die Wahr­neh­mung von außen war lei­der von Streit geprägt. Robert Habeck hat aus mei­ner Sicht einen her­vor­ra­gen­den Wahl­kampf geführt: Prä­sent, sym­pa­thisch, inhalt­lich, gut erklä­rend und authen­tisch. Er hat sich wohl­tu­end von Scholz und Merz abge­ho­ben. Doch wir wur­den als Grü­ne Regie­rungs­par­tei für die schwie­ri­ge wirt­schaft­li­che Lage (mit)verantwortlich gemacht – obwohl die Ursa­chen dafür weit über­wie­gend län­ger zurück lie­gen. Deutsch­land hat sich zu lan­ge auf das bil­li­ge Erd­gas aus Russ­land ver­las­sen. Die hohen Export­über­schüs­se haben zu vie­le Unter­neh­men, Par­tei­en und Men­schen trä­ge gemacht und aus­ge­blen­det, dass Chi­na zuneh­mend eige­ne und bes­ser wer­den­de Pro­duk­te ent­wi­ckelt und her­stellt. Wir müs­sen in unse­rem Land inno­va­ti­ver und schnel­ler wer­den, um auf den Märk­ten der Zukunft bestehen zu kön­nen! Umwelt- und Kli­ma­tech­no­lo­gien kön­nen eine rie­si­ge Chan­ce dar­stel­len. Die Chan­cen für Wirt­schaft und Umwelt gilt es ent­schlos­sen zu nut­zen! Ich hof­fe sehr, dass dies in der sich anbah­nen­den Koali­ti­on nicht völ­lig anders gese­hen wird. Es wäre fatal, wenn die Uhren zurück­ge­dreht wür­den! Die Reform der Schul­den­brem­se könn­te ein Pro­jekt sein, mit dem wir als Grü­ne schon sehr bald wie­der mit­ge­stal­ten. Es geht dar­um, Inves­ti­tio­nen bei­spiels­wei­se in die Schie­nen-Infra­struk­tur und die Digi­ta­li­sie­rung sowie die Gebäu­de­sa­nie­rung zu ermög­li­chen. Die Bun­des­wehr muss ver­nünf­tig aus­ge­stat­tet wer­den, um ihre Auf­ga­ben erfül­len zu kön­nen.

Wei­te­re Aspek­te der Wahl­ana­ly­se

Als Grü­ne hat­ten wir schwer damit zu kämp­fen, dass die meis­ten wahl­ent­schei­den­den The­men nicht die­je­ni­gen waren, bei denen uns aus­rei­chend hohe Kom­pe­ten­zen zuge­schrie­ben wer­den. Dies gilt für die Wirt­schafts­po­li­tik, die inne­re Sicher­heit, die sozia­le Sicher­heit und die Migra­ti­on. Gera­de in der Migra­ti­ons­po­li­tik sind wir als Grü­ne nicht mit aus­rei­chend kla­rer Posi­tio­nie­rung unter­wegs. Dazu habe ich immer wie­der, so auf Pres­se­an­fra­ge, aus­ge­sagt: „Wir ste­hen als Grü­ne zum Recht auf Asyl. Wir brau­chen aber auch Ord­nung, was bedeu­tet, dass nicht alle blei­ben kön­nen. Die Anzahl an frei­wil­li­gen Aus­rei­sen und Abschie­bun­gen ist deut­lich gestie­gen. Die Arbeits­auf­nah­me durch Geflüch­te­te und die Zuwan­de­rung in Arbeit haben wir erleich­tert. Gene­rell muss gel­ten: Wer bei uns Schutz sucht und wer hier leben möch­te, muss sich an die ver­fas­sungs­mä­ßi­ge Ord­nung und die Geset­ze hal­ten. Die Rechts­treue erwar­ten wir übri­gens auch von Men­schen ohne Migra­ti­ons­ge­schich­te.“ Da wir als Grü­ne mit Robert Habeck an der Spit­ze das „Minis­te­ri­um für Wirt­schaft und Kli­ma­schutz“ geführt haben, stan­den wir in die­sem The­men­feld ganz beson­ders in Ver­ant­wor­tung. Habeck war, was due abge­schlos­se­nen Maß­nah­men angeht, beson­ders umtrie­big. Von den aus allen Res­sorts 250 umge­setz­ten Maß­nah­men lie­ßen sich 76 und damit rela­tiv gese­hen die meis­ten dem Kli­ma­schutz­be­reich zuord­nen[2]. Ver­mut­lich wur­de Habeck im kon­kre­ten Tun stär­ker den Auf­ga­ben in den Berei­chen Klima/Energie und weni­ger der Wirt­schafts­po­li­tik im enge­ren Sin­ne wahr­ge­nom­men. Dar­auf deu­ten auch die sich nur sehr schach nach oben ent­wi­ckel­ten Kom­pe­tenz­zu­schrei­bun­gen der Grü­nen für Wirt­schafs­fra­gen hin (von sechs auf acht Pro­zent im Ver­gleich zu 2021[3]). Zum The­ma der Wirt­schafts­po­li­tik habe ich erklärt, hier in der „Stutt­gar­ter Zei­tung“: „Vie­le Unter­neh­men kön­nen vom Kli­ma­schutz pro­fi­tie­ren. Jeden­falls dann, wenn wir tech­no­lo­gisch füh­rend sind. Vor ein paar Tagen ist im Han­dels­blatt über eine Stu­die berich­tet wor­den, der zufol­ge chi­ne­si­sche Spit­zen­ma­na­ger sagen: Grü­ne Tech­no­lo­gie ist für uns ein Rie­sen-Markt. In Deutsch­land hin­ge­gen wird Kli­ma­schutz­tech­no­lo­gie zu oft unter Kos­ten­aspek­ten gese­hen. Das ist schon ein biss­chen schräg, weil, wenn man etwas expor­tie­ren möch­te, dann muss man natür­lich auch sel­ber an die eige­ne Tech­nik glau­ben. Sonst machen ande­re das Geschäft. Und ich will, dass die Geschäf­te hier bei uns gemacht wer­den. Das gilt für die Elek­tro­mo­bi­li­tät genau­so. Wir ent­wi­ckeln, wir bau­en, aber wir kau­fen Elek­tro­au­tos hier nicht. Und dann wun­dern wir uns, dass ande­re es auch nicht tun. Ist doch logisch, dass Chi­ne­sen ihre eige­nen Autos bau­en und ver­kau­fen, weil sie nicht mehr die deut­schen Autos wol­len, die wir selbst auf dem hei­mi­schen Markt kaum ver­kauft bekom­men. Wir müs­sen raus aus der Träg­heit, schnel­ler und wie­der über­zeu­gen­der wer­den:“

Die Wäh­ler­wan­de­run­gen lie­fern, bei aller Unge­nau­ig­keit[4], wei­te­re wich­ti­ge Tei­le einer Ana­ly­se. Wir haben als Grü­ne sowohl an die Lin­ke (700.000) als auch an die CDU/CSU (460.000) Stim­men ver­lo­ren. Zugleich haben wir 140.000 Stim­men von frü­he­ren FDP-Wäh­len­den gewon­nen. Beson­ders stark fehlt die Unter­stüt­zung in länd­li­chen Räu­men und – anders als bei der letz­ten Bun­des­tags­wahl – bei jun­gen Men­schen. In der ganz jun­gen Alters­grup­pe haben wir ein Minus um 13 Pro­zent zu ver­zeich­nen. Bei den Erst­wäh­len­den erziel­ten wir nur noch einen Anteil von 10 Pro­zent. Im Wider­spruch zu die­sen Wer­ten waren mei­ne poli­ti­schen Dia­log­an­ge­bo­te für jun­ge Men­schen („Poli­tik & Piz­za“) in den letz­ten Mona­ten weit über­durch­schnitt­lich gut besucht. Die Lin­ke lag bei den jun­gen Wähler*innen mit einem enor­men Zuwachs weit vor­ne (27 Pro­zent), gefolgt von der AfD (20 Pro­zent). Wie oben schon erwähnt, erziel­ten wir bei den wahl­ent­schei­den­den The­men kei­ne hohen Kom­pe­tenz­wer­te. In der Migra­ti­ons­po­li­tik haben wir sogar in der Kom­pe­tenz­zu­schrei­bung ver­lo­ren. Nur neun Pro­zent aller Befrag­ten sahen hier eine aus­ge­präg­te Kom­pe­tenz bei uns Grü­nen. In der Außen­po­li­tik konn­ten wir zule­gen, die­se hat­te für die Wahl­ent­schei­dun­gen aber weni­ger Rele­vanz. Für unser grü­nes Kli­en­tel ist die Umwelt- und Kli­ma­po­li­tik das wich­tigs­te The­ma (62 Pro­zent). 42 Pro­zent aller Wahl­be­rech­tig­ten hal­ten uns für umwelt­kom­pe­tent – ein Minus um sechs Punk­te im Ver­gleich zum Jahr 2021.

Blick auf die ande­ren Par­tei­en

Den über­ra­schends­ten Erfolg leg­te die Links­par­tei hin. Ihr Auf­schwung bin­nen zwei Wochen vor der Wahl war bemer­kens­wert. Dafür dürf­te es ver­schie­de­ne Ursa­chen gege­ben haben: Die enor­me Reso­nanz ihrer neu­en Par­tei­vor­sit­zen­den in den sozia­len Medi­en bei­spiels­wei­se – bei gleich­zei­ti­ger schwin­den­der Auf­merk­sam­keit für das BSW. Anders als bei der ver­geig­ten Euro­pa­wahl im ver­gan­ge­nen Jahr hat die Lin­ke dies­mal die Migra­ti­ons­po­li­tik kaum besetzt. Nicht zu unter­schät­zen ist auch, dass der Auf­schwung ab dem Moment, in dem die ers­ten Umfra­gen die Par­tei bei fünf Pro­zent sahen, rich­tig an Dyna­mik gewon­nen hat. Die­ser Moment war das Signal, dass Stim­men für die Lin­ke kei­ne ver­schenk­ten Stim­men dar­stel­len. Im Rah­men der Umfra­ge­wer­te abge­schnit­ten hat die AfD. Alle War­nun­gen vor dem Rechts­extre­mis­mus, die zahl­rei­chen Groß­de­mos oder die absur­den For­de­run­gen nach „Remi­gra­ti­on“ haben ein Fünf­tel der Wäh­len­den nicht abge­hal­ten, die­se Par­tei zu wäh­len. Auch die gerin­ge Prä­senz der Spit­zen­kan­di­da­tin vor Ort haben der Par­tei offen­bar nicht gescha­det. In mei­nem Wahl­kreis war der Kan­di­dat prak­tisch nicht prä­sent und hat den­noch rund 20 Pro­zent bei den Erst- und Zweit­stim­men ein­ge­fan­gen. Ich sel­ber hat­te allei­ne im Febru­ar 50 Ter­mi­ne und damit Dia­log­an­ge­bo­te orga­ni­siert. Auch die gesam­te Legis­la­tur über hat­te ich eine star­ke Prä­senz. Gehol­fen hat es nichts, mei­ne Wer­te haben sich ana­log derer auf bun­des- und Lan­des­ebe­ne ent­wi­ckelt. Als Gewin­ne­rin sieht sich die CDU/CSU – mit dem zweit­schlech­tes­ten Ergeb­nis ihrer Geschich­te. Bei uns Grü­nen hin­ge­gen fühlt sich das zweit­bes­te Ergeb­nis aller Zei­ten wie eine Nie­der­la­ge an. Merz wird mit dem schlech­ten Ergeb­nis vor­aus­sicht­lich Bun­des­kanz­ler. Habeck hin­ge­gen möch­te nicht mehr in der ers­ten Rei­he von Par­tei oder Frak­ti­on Poli­tik machen. So rela­tiv wie die Ergeb­nis­se sind, so unter­schied­lich sind die gefühl­ten und tat­säch­li­chen Aus­wir­kun­gen.

Gesell­schaft­li­che Ent­wick­lun­gen

Die Kon­rad-Ade­nau­er-Stif­tung stell­te in einer umfas­sen­den Ana­ly­se fest: „Kei­ner der Spit­zen­kan­di­da­ten der Ampel­par­tei­en kann von einem Amts­bo­nus pro­fi­tie­ren. Dies kann als Novum bewer­tet wer­den. Die poli­ti­sche Öffent­lich­keit ten­diert zu einer stär­ke­ren Frag­men­tie­rung. (…) Jen­seits der eige­nen Anhän­ger­schaft ist die Zustim­mung zu Poli­ti­kern gering, in der eige­nen Anhän­ger­schaft hoch. (…) Es gibt kein The­ma, das gro­ße Tei­le der Wäh­ler­schaft ähn­lich bewer­ten.“ Wei­ter heißt es bei der Stif­tung: „Danach gefragt, mit wem man per­sön­lich nichts zu tun haben möch­te, ist ins­ge­samt die gesell­schaft­li­che Abnei­gung gegen­über allen abge­frag­ten Grup­pen (zumin­dest leicht) gestie­gen. Vor allem die Abnei­gung gegen­über den Wäh­le­rin­nen und Wäh­lern der Grü­nen ist deut­lich ange­stie­gen. Die Abnei­gung gegen­über den AfD-Wäh­le­rin­nen und Wäh­lern ist hin­ge­gen kon­stant hoch.“

Blick in mei­nen Wahl­kreis Nür­tin­gen

Trotz anhal­tend hoher Wahl­kreis­prä­senz und allei­ne 50 Ter­mi­nen und Ver­an­stal­tun­gen in den drei Febru­ar­wo­chen bis zur Wahl hat sich mein Erstim­men­er­geb­nis und unser grü­nes Zweit­stim­men­er­geb­nis ent­spre­chend der all­ge­mei­nen Ent­wick­lun­gen nach unten bewegt. Mit 14,4 Pro­zent der Erst­stim­men lag ich per­sön­lich etwas über den 13,6 Pro­zent der Zweit­stim­men (zwei Punk­te mehr als im Bund und exakt auf Lan­des­ni­veau). Die bes­ten Wer­te wur­den wie­der in Lein­fel­den-Ech­ter­din­gen (18,7 Pro­zent Erst­stim­men), gefolgt von Fil­der­stadt und Kirch­heim unter Teck. Im ein­stel­li­gen Bereich lan­de­te ich in den bei­den klei­ne­ren Orten Erken­b­rechts­wei­ler und Neid­lin­gen. Ich ver­wei­se auf enen Bericht über mei­ne Erleb­nis­se in den letz­ten Wochen auf Wochen­märk­ten und an Haus­tü­ren: https://www.matthias-gastel.de/im-intensiven-dialog-mit-buerger-innen/

Aus­blick

Wir Grü­nen und ich selbst wer­den den neu­en Auf­trag, in der Oppo­si­ti­on zu wir­ken, enga­giert und kon­struk­tiv anneh­men. Mein Ziel ist, wei­ter­hin in der Ver­kehrs- und kon­kret der Bahn­po­li­tik arbei­ten zu kön­nen. Das Ver­schwin­den der FDP aus dem Par­la­ment und der erwart­bar unbe­re­chen­ba­re Regie­rungs­stil von Fried­rich Merz las­sen uns brei­te Spiel­räu­me zur Pro­fi­lie­rung. Es ist an uns, immer wie­der auf die not­wen­di­gen Ver­än­de­run­gen für ein nach­hal­ti­ge­res Wirt­schaf­ten und den Kli­ma­schutz hin­zu­wir­ken.

 

[1] Sie­he Wirt­schafts­wo­che Nr. 09/2025

[2] Sie­he Wirt­schafts­wo­che, Aus­ga­be 09/2025

[3] Infra­test Dimap

[4] Ange­sichts immer mehr Wech­sel­wäh­ler steigt die Unge­nau­ig­keit, da vie­le nicht mehr wis­sen, wel­che Par­tei sie bei der letz­ten ver­gleich­ba­ren Wahl gewählt haben.