Elektrisch unterwegs im Linienbetrieb
Angesichts des Klimawandels und noch immer großer Probleme mit Stickoxiden und Feinstaub in Städten steigt das Interesse an Bussen mit elektrischem Antrieb für den öffentlichen Nahverkehr. E‑Busse produzieren lokal keine Abgase – bei Betrieb mit Ökostrom überhaupt keine – und sind deutlich leiser als Dieselbusse. Außerdem haben elektrische Antriebe einen signifikant besseren Wirkungsgrad als Dieselantriebe und verbrauchen dadurch auch weniger Energie als Dieselbusse. Gerade die Betriebsweise der ÖPNV-Fahrzeuge, die durch ständige Anfahr- und Bremsvorgänge charakterisiert ist, eignet sich für elektrische Antriebe.
Elektrobusse sind ein immer wichtigeres Thema. Dies zeigt sich deutschland- und europaweit in Projekten und Tests mit E‑Bussen im Linienbetrieb. Laut der Internetseite des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) gibt es derzeit in mindestens 20 deutschen Städten E‑Bus-Projekte mit etwa 100 Bussen. Das ist im Vergleich zu China, wo bereits 170.000 Elektrobusse im Einsatz sind, ein sehr niedriger Wert und auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, allen voran Großbritannien, noch ausbaufähig.
Auffällig ist, dass eine große Vielzahl an Herstellern elektrisch angetriebene Busse anbieten. Allein in den beim VDV aufgeführten Projekten sind zur Zeit Fahrzeuge von 15 verschiedenen Herstellern im Einsatz. Der ZeEUS eBus Report listet sogar 26 Hersteller auf. Derzeit noch nicht in großer Zahl vertreten, aber auf den europäischen Merkt drängend, zeigt sich der chinesische Hersteller CRRC, von dem zwei Elektro-Gelenkbusse in Graz im Probeeinsatz sind. Die beiden Großhersteller Mercedes-Benz und MAN haben eine Serienproduktion von E‑Bussen für 2018 beziehungsweise 2020 angekündigt.
In Forschungsprojekten für die Erprobung von Wasserstoffantrieben sind bereits Brennstoffzellenhybridbusse von Mercedes-Benz in Stuttgart und anderen Städten Europas im Einsatz. Deren Elektromotoren beziehen ihre Energie aus einer Brennstoffzelle und einer Batterie – daher die Bezeichnung „Hybrid“. Beim Bremsen gewonnene Energie kann in der Batterie gespeichert werden. Eine Betankung des Busses mit Wasserstoff dauert zehn Minuten. Eine Tankfüllung reicht für etwa 250 Kilometer.
Ein reiner Batterie-Bus ist der Urbino 12 Electric (12 Meter lang) vom polnischen Hersteller Solaris. Dieser fährt im Linienbetrieb beispielsweise in Oberhausen, Hannover und Berlin. Dabei kommen verschiedene Ladesysteme zum Einsatz: In Hannover und Oberhausen zum Beispiel erfolgt das Laden über einen Stromabnehmer und einen Lademast. In Berlin kommt ein induktives Ladesystem zum Einsatz, bei dem die Energie kontaktlos von einer im Boden eingebauten Ladeplatte auf den an der Busunterseite montierten Stromaufnehmer übertragen wird – ähnlich wie beim Laden einer elektrischen Zahnbürste. Der Ladevorgang findet in Berlin jeweils an den Endhaltestellen zwischen den Fahrten statt. Er dauert vier bis sieben Minuten. Damit ist neben dem Ladesystem ein weiteres Merkmal bei batteriegespeisten Elektrobussen angesprochen: Die Ladestrategie. Als Vorteil des Konzepts mit Zwischenladung, das in Berlin zur Anwendung kommt, wird aufgeführt, dass die Batterien kleiner und leichter dimensioniert werden können als bei Bussen, die nur nachts aufgeladen werden.
Die Erfahrungen in Berlin sind sowohl positiv als auch negativ. In der Anfangsphase des Projekts waren nach Schäden im Hochvolt-System alle vier Busse sechs Monate außer Betrieb. Nach diesen Startschwierigkeiten gab es zumindest keine vollständige Außerbetriebnahme mehr, aber dennoch erreichten die E‑Busse nicht die Verfügbarkeit und den geringen Wartungsaufwand, wie man es bei der BVG für den Linienbetrieb erwartete. Sehr positiv wurde dagegen die Ladetechnik bewertet. Sowohl die induktive Ladeinfrastruktur als auch die Ladesäulen konnten mit sehr hoher Zuverlässigkeit, geringem Wartungsaufwand und Effizienz überzeugen. Auch die Bedienbarkeit wurde sowohl vom Busbetreiber als auch von den Busfahrern gut bewertet. Mit dem Berliner E‑Bus war ich bereits unterwegs. Hier mein Bericht aus dem Jahr 2015: https://www.matthias-gastel.de/auf-probefahrt-mit-dem-e-bus/#.WISGi02QzIU
Ein ebenfalls 12 Meter langer Batterie-Linienbus ist der Sileo S 12, der vom deutsch-türkischen Unternehmen Sileo in Salzgitter hergestellt wird. Dieser Bus kommt unter Anderem in Bonn zum Einsatz. Nach einer Testphase, in der Busse verschiedener Hersteller getestet wurden, sind seit Anfang 2016 sechs Fahrzeuge des Modells im Linienbetrieb unterwegs. Hier unterscheidet sich das Ladesystem von den vorangegangenen Beispielen: Die Busse werden nachts auf dem Betriebshof per Stecker geladen. In Bonn sieht man die Vorteile in der Übernachtladung darin, dass die Busse tagsüber flexibel im ganzen Netz einsetzbar sind und dass keine Ladeeinrichtungen im öffentlichen Raum notwendig sind. Die Reichweite der eingesetzten Busse beträgt mindestens 200 Kilometer. Die Erkenntnisse aus dem Projekt in Bonn sind überwiegend positiv. Es wird berichtet, dass die Busse im Linienbetrieb ihre Strecken und Einsätze gut bewältigt haben und dass die Fahrgäste den neuen Bussen positiv gegenüber stehen. Hervorgehoben wird der geringe Geräuschpegel. Dieser ist auch in anderen Städten der meistgenannte Aspekt der Fahrgäste. Außerdem wird oft das Fahrgefühl, zum Beispiel das sanftere Anfahren, in den E‑Bussen gelobt.
Ein ganz anderes System für den elektrischen Antrieb bei Bussen gibt es seit über 70 Jahren in Esslingen. Dort verkehren auf drei Linien Oberleitungsbusse. Bei diesem System, das es nur noch in zwei weiteren Städten in Deutschland gibt, bezieht der Bus die Energie über Stromabnehmer aus einer Oberleitung wie eine Straßenbahn. Da in Esslingen teilweise Linien nicht durchgängig elektrifiziert sind, kommen seit 2016 neben den „einfachen“ O‑Bussen von VanHool auch neue Hybrid-Elektrobusse von Solaris zum Einsatz, die zusätzlich eine Batterie besitzen, die über die Oberleitung geladen wird und auf kurzen Strecken ohne Leitung dem Motor Energie liefern. Dank Ökostrom fahren die Oberleitungsbusse in Esslingen völlig ohne Schadstoffausstoß. Fahrgäste und Fahrpersonal loben auch das leise und ruhige Fahrverhalten. Den einzigen Nachteil sieht Harald Boog, Technischer Werkleiter des Städtischen Verkehrsbetriebs Esslingen am Neckar in den hohen Investitionskosten im Bereich der Infrastruktur. Die Oberleitungsbusse in Kombination mit Batterietechnologie haben aus Boogs Sicht „deutliche Vorteile zu reinen Batteriebussen, da sie ohne betriebliche Unterbrechungen geladen werden können und bei kleineren Speichern (weniger Kosten, weniger Gewicht, mehr Fahrgäste) über eine unbegrenzte Reichweite innerhalb des Netzes verfügen.“ Alle 12–14 km müssen sie für circa 20 Minuten zum Laden an die Oberleitung. Die Hybrid-Oberleitungsbusse funktionieren laut Harald Boog mittlerweile so zuverlässig wie Dieselbusse. Daher wird auch über einen Ausbau des Oberleitungsnetzes nachgedacht.
Quellen:
- https://www.vdv.de/ebus-projekt.aspx
- Broschüre „Zukunft erfahren!“ zum Projekt „Unsere e‑Mission für Bonn“
- http://zeeus.eu/uploads/publications/documents/zeeus-ebus-report-internet.pdf
- 2016 – Jahr der E‑Busse, ÖPNV-Report 2016/2017
- Busse und Bahnen – schadstoffarm und klimaschonend, ÖPNV-Report 2016/2017
- Abschlussbericht des Vorhabens E‑Bus Berlin