Funktioniert Logistik außerhalb des rein innerstädtischen Verteilerverkehrs mit batterieelektrischen Lastwagen? Darüber habe ich mich im Rewe-Zentrallager in Oranienburg, nördlich von Berlin, informiert.
Von diesem Lager aus werden Verkaufsfilialen in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Teilen von Sachsen-Anhalt angefahren. Insgesamt gibt es 460 Kunden. Die Belieferung geschieht mit einem Fuhrpark aus maximal 180 Lastwagen, von denen 13 batterieelektrisch angetrieben werden. Deren Reichweite liegt bei real 250 bis 300 Kilometer. Mit der nächsten Generation an E‑Lkw aus dem Hause Daimler werden Reichweiten von 300 bis 350 Kilometer erwartet. Mit den jetzigen elektrischen Lastern wird nach Frankfurt/Oder und nach Berlin hineingefahren. Einer ist ein Kühl-Lkw mit Pufferbatterie und PV auf dem Dach. Es sei, so wurde mir vor Ort erklärt, ein „riesiger technischer Schub“ feststellbar. Das Fahrpersonal habe man zunächst von den neuen Antrieben überzeugen und von der Reichweitenangst befreien müssen. Jetzt wollten viele nicht mehr Diesel fahren. Die Umstellung des Fuhrparks auf alternative Antriebe könne in 10 bis 15 Jahren abgeschlossen sein. Es werde auch mit Wasserstoff experimentiert. Aus heutiger Sicht sei dies aber mangels Tankstellennetz und der hohen Kosten schwierig.
Die hohen Investitionskosten für Fahrzeuge und Lade-Infrastruktur seien eine Hürde, wurde mir berichtet. Ein Förderprogramm für die Ladesäulen und/oder der Ausbau an den Autobahnen sei hilfreich. Bei einer Förderung der Fahrzeuge sei hingegen mit Mitnahme-Effekten zu rechnen.
Zum Strom: Über Oranienburg hatten die Medien in den letzten Tagen berichtet, dass es Strommangel geben würde. Hintergrund sei das starke Wachstum der Stadt und das unzureichend dimensionierte Leitungsnetz. Rewe würde dadurch jedoch nicht eingeschränkt, wurde vor Ort berichtet. Ab Ende dieses Jahres und Ende 2026 seien Schritte zur Netzstabilisierung angekündigt worden. Die riesigen Rewe-Hallen sind teilweise mit Photovoltaik bestückt (Stromeinspeisung ins Netz). Der Neubau solle noch mit Modulen für die Stromerzeugung für den Eigenverbrauch bestückt werden. Rewe habe ein eigenes Stromversorgungs-Unternehmen, das den Strom sehr preisgünstig an der Leipziger Strombörse einkaufen könne. Es würde sich um Ökostrom handeln.
Auf dem Außengelände konnte ich mir die Ladesäulen für die Lkw anschauen. An diesen werden die E‑Trucks in einer Stunde von 20 auf 80 Prozent geladen. Ich konnte auch eine Runde im E‑Lkw mitfahren. Der Fahrer berichtete mir, dass sich die Lkw sehr gut bewährt hätten und viele seiner – meist jungen – Kollegen nicht mehr mit den Diesel-Fahrzeugen fahren wollten. Noch sei kein E‑Lkw liegen geblieben. Die Vorteile seien das ruhige Fahren, die Lärmvermeidung und die bessere Beschleunigung.
Wir sprachen auch über die Bahn als eine Transportoption. Diese biete aber, wurde mir mitgegeben, zu wenig Planungssicherheit und es gebe auf dem stark ausgelasteten Netz keine passenden Zeitslots. Keines der Rewe-Logistikzentren würde über einen Gleisanschluss verfügen.
Exkurs 1: Anreize und Weltmarkt
In der Branche wird erwartet, dass die EU-Flottengrenzwerte für einen schnellen Hochlauf der E‑Antriebe bei Lkw sorgen werden. Zudem würden Unternehmen weniger auf die Anschaffungskosten, sondern vielmehr auf die Lebenszykluskosten achten. Dies spreche zumindest dann, wenn Industriestrom zu niedrigen Kosten bezogen würde, für den alternativen Antrieb. Wichtig sei auch ein gut ausgebautes Servicenetz des jeweiligen Herstellers. Davon wiederum profitieren europäische Hersteller, die dies bieten können.
Quelle: Tagesspiegel Background v. 24.04.2024
Exkurs 2: E‑Busse
In der gleichen Woche war ich auf der Busmesse „Bus2Bus“ in Berlin. Dort sprach ich mit Busherstellern (MAN, Iveco und Daimler) sowie Zulieferern wie ZF Friedrichshafen. Auch hier war der klare Trend zu batterieelektrischen Antrieben festzustellen. An einem Stand sprach meine Besuchsgruppe mit einem Hersteller von Alternativkraftstoffen wie E‑Fuels. Selbstverständlich wurde dieses Produkt promotet, jedoch ausdrücklich nicht als „DIE“ Lösung angepriesen. Busunternehmer, mit denen ich sprach, unterstützten den Umstieg auf E‑Busse, forderten dafür aber entweder eine Förderung der Lade-Infrastruktur oder eine Betriebskostenförderung in Form von verbilligtem Strom.