Für Elektrifizierung der Bahn fehlt es an politischer Power

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04.01.2020

Bundesregierung verfehlt eigenes Ziel

Die effi­zi­en­tes­te und umwelt­freund­lichs­te Art, Züge anzu­trei­ben, ist die mit Strom aus der Ober­lei­tung. Doch gera­de hier besteht in Deutsch­land noch ein erheb­li­cher Hand­lungs­be­darf.

Die Ant­wort der Bun­des­re­gie­rung auf eine Anfra­ge unse­rer Frak­ti­on macht ein­mal mehr deut­lich: In Deutsch­land sind gera­de ein­mal 60,5 Pro­zent der Stre­cken­ki­lo­me­ter der DB Netz AG elek­tri­fi­ziert (Stand 2017). Seit 2009 (58,6%) ging in Sachen Ober­lei­tung kaum mehr etwas vor­an. Stre­cken, die das Glück hat­ten, mit einer Ober­lei­tung ver­se­hen zu wer­den, waren häu­fig S‑Bahn-Stre­cken. Dies gilt ins­be­son­de­re für die S‑Bahn Rhein-Neckar (u. a. Meckes­heim – Aglas­ter­hau­sen) und die Münch­ner S‑Bahn (Dach­au – Alto­müns­ter). Die oben genann­ten 60,5 Pro­zent erhö­hen sich leicht durch inzwi­schen erfolg­te Elek­tri­fi­zie­run­gen wie bei­spiels­wei­se der Breis­gau-S-Bahn. In der bau­li­chen Umset­zung befin­den sich die Elek­tri­fi­zie­rung der Süd­bahn zwi­schen Ulm über Fried­richs­ha­fen nach Lin­dau und der Stre­cke zwi­schen Gel­ten­dorf und Lin­dau. Bei­de Pro­jek­te wur­den aber erst mög­lich, nach­dem Baden-Würt­tem­berg und Bay­ern die Über­nah­me erheb­li­cher Kos­ten­an­tei­le zuge­sagt hat­ten, obwohl es sich um Schie­nen­we­ge des Bun­des han­delt. Der Bedarfs­plan, der aus dem „Vor­dring­li­chen Bedarf“ des Bun­des­ver­kehrs­we­ge­plans abge­lei­tet wur­de, sieht die Elek­tri­fi­zie­rung auch grö­ße­rer Stre­cken vor. Dar­un­ter befin­det sich die Aus­bau­stre­cke Hof – Markt­red­witz – Regens­burg – Ober­traub­ling (180 Kilo­me­ter) und die Aus­bau­stre­cke Mün­chen – Mühl­dorf – Frei­las­sing (145 Kilo­me­ter). Das Pro­blem: Es dau­ert noch lan­ge, bis die­se Stre­cken fer­tig­ge­stellt wer­den. Vor 2028 wird kaum eine die­ser Stre­cken elek­tri­fi­ziert sein. Als nächs­te wird vor­aus­sicht­lich die Aus­bau­stre­cke Olden­burg – Wil­helms­ha­ven (52 Kilo­me­ter, geplan­te Inbe­trieb­nah­me 2022) fer­tig­ge­stellt wer­den. Das Ziel der Bun­des­re­gie­rung, bis zum Jahr 2030 einen Stre­cken-Elek­tri­fi­zie­rungs­grad von 70 Pro­zent zu errei­chen sein, mit gro­ßer Wahr­schein­lich­keit ver­fehlt. Sie sel­ber rech­net nur mit einem Elek­tri­fi­zie­rungs­stand von 67 Pro­zent, wie sie auf unse­re Anfra­ge ant­wor­te­te. Für den Kli­ma­schutz ist das lang­sa­me Tem­po bei der Elek­tri­fi­zie­rung fatal – und eine poli­ti­sche Bla­ma­ge!

Im Jahr 2020 will die Bun­des­re­gie­rung eine För­der­kon­zep­ti­on für die Elek­tri­fi­zie­rung regio­na­ler Stre­cken vor­le­gen. Dar­auf drän­gen wir Grü­ne seit lan­gem. Auch zu den Pla­nun­gen für sog. „Strom­in­seln“ kön­nen Bun­des­re­gie­rung und Deut­sche Bahn der­zeit nichts sagen. Dabei geht es um die Teil­elek­tri­fi­zie­rung von Bahn­stre­cken, auf denen bat­te­rie­elek­tri­sche Züge wäh­rend der Fahrt oder wäh­rend not­wen­di­ger Hal­te (ins­be­son­de­re an Bahn­hö­fen) ihre Akkus auf­la­den kön­nen. Die Deut­sche Bahn sei, so die Ant­wort der Bun­des­re­gie­rung, mit Schles­wig-Hol­stein und dem Saar­land „in der Abstim­mung“.

Ergän­zun­gen zu Baden-Würt­tem­berg:

Die 59 Kilo­me­ter lan­ge Stre­cke zwi­schen Fried­richs­ha­fen und Radolf­zell wird ver­mut­lich mit Mit­teln nach dem Gemein­de­ver­kehrs­fi­nan­zie­rungs­ge­setz (GVFG) elek­tri­fi­ziert wer­den. Eine Fer­tig­stel­lung wird jedoch erst nach 2029 erwar­tet.