Für Klima, gegen Diktatoren: Raus aus den Fossilen!

17.04.2022

Plädoyer für konsequentes Handeln

Weg­schau­en geht nicht mehr. Die eine oder der ande­re konn­te die kaum zu igno­rie­ren­den Kli­ma­ver­än­de­run­gen noch ver­drän­gen. Die Sün­de, sich von fos­si­len Ener­gie­trä­gern aus den blut­ver­schmier­ten Hän­den Putins abhän­gig gemacht und in Abhän­gig­keit gehal­ten zu haben, ist jetzt noch offen­sicht­li­cher. Sie kann und darf nicht ohne ein­schnei­den­de Kon­se­quen­zen blei­ben. Auf die Kli­ma­kri­se, wie auch auf die Finan­zie­rung von Dik­ta­to­ren wie Putin & Co, kann es nur eine Ant­wort geben: Raus aus den fos­si­len Ener­gien, und das so schnell wie mög­lich – so schnell, wie es ohne völ­li­ge Ver­wer­fun­gen in unse­rem Land geht, aber auch dann, wenn es erheb­li­che Anpas­sun­gen erfor­dert!

Deutsch­land ist der sechst­größ­te Erd­öl­im­por­teur der Welt. Die Abhän­gig­keit von Russ­land ist in den letz­ten Jah­ren sogar mas­siv gestie­gen. Über 70 Pro­zent des Ölver­brauchs in Deutsch­land ent­fal­len auf den Ver­kehrs­sek­tor. Dort wer­den zu über 90 Pro­zent Kraft­stof­fe aus Mine­ral­öl ein­ge­setzt. In den Ver­bren­nungs­mo­to­ren wird jedoch weni­ger als die Hälf­te der ein­ge­setz­ten Ener­gie für den Antrieb umge­wan­delt. Ein gro­ßer Anteil geht als Abwär­me ver­lo­ren. Bat­te­rie­elek­tri­sche Autos wei­sen eine deut­lich höhe­re Ener­gie­ef­fi­zi­enz auf. Die Bahn fährt heu­te bereits über­wie­gend elek­trisch, ist aber zu schwach auf­ge­stellt, um im Per­so­nen- wie im Güter­ver­kehr eine stär­ke­re Rol­le spie­len zu kön­nen. Dies alles unter­streicht ein­mal mehr die hohe Bedeu­tung der Ver­kehrs­wen­de.

Wir müs­sen Ver­keh­re so gut wie mög­lich auf die leis­tungs­fä­hig aus­zu­bau­en­de Schie­ne ver­la­gern. Die Ampel­ko­ali­ti­on hat sich gera­de im Bahn­be­reich auf sehr ehr­gei­zi­ge Zie­le und kon­kre­te Maß­nah­men ver­stän­digt. Wir wer­den das Schie­nen­netz mit eini­gen gro­ßen und vie­len klei­nen Erwei­te­run­gen aus­bau­en und deut­lich mehr als die heu­ti­gen 60 Pro­zent der Stre­cken mit Ober­lei­tung ver­se­hen. Dabei wol­len wir schnel­ler vor­an­kom­men als bis­her, indem wir Pla­nun­gen ver­ein­fa­chen, büro­kra­ti­sche Pro­zes­se ent­schla­cken und an den ent­schei­den­den Stel­len mehr Per­so­nal ein­set­zen. Wir müs­sen für den beim Bau von Ober­lei­tun­gen weg kom­men vom Beden­ken­trä­ger­tum und zeit­rau­ben­den Schlei­fen durch unsin­ni­ge Bewer­tungs­me­tho­den. Wo sich Ober­lei­tun­gen nicht anbie­ten, müs­sen wir auf alter­na­tiv ange­trie­be­ne Fahr­zeu­ge wie Akku­zü­ge set­zen. So soll­te es sich auf der Schie­ne bis zum Jahr 2030 wei­test­ge­hend aus­ge­die­selt haben. Wich­tig ist natür­lich, dass auch der Bahn­strom voll­stän­dig „grün“ wird. Koh­lestrom muss durch Öko­strom ersetzt wer­den. Dafür bie­tet es sich an, Flä­chen ent­lang von Bahn­stre­cken und auf Dächern von Bahn­hö­fen für die Strom­erzeu­gung mit­tels Son­ne und Wind zu nut­zen. Wenn dies deut­lich vor dem Jahr 2038 gelingt, dann ist die Bahn mit ihrem Pro­zess hin zur nahe­zu voll­stän­di­gen Dekar­bo­ni­sie­rung deut­lich schnel­ler als die Stra­ße und erst recht als der Schiffs- und der Luft­ver­kehr. Dabei ist die Bahn noch dazu durch die gerin­ge Roll­rei­bung zwi­schen Stahl­rä­dern und Fahr­weg sehr effi­zi­ent unter­wegs. Gute Grün­de also, die Bahn durch Reak­ti­vie­rung still­ge­leg­ter Stre­cken und den Aus- und Neu­bau wie­der stär­ker in die Flä­che zu brin­gen. 117 Mit­tel­zen­tren ohne (regel­mä­ßi­ge) Bahn­an­ge­bo­te zei­gen, dass der­zeit vie­le Men­schen nicht erreicht wer­den und daher eine Bahn­of­fen­si­ve gestar­tet wer­den muss. Die­se kann eine Säu­le einer Mobi­li­täts­ga­ran­tie dar­stel­len, mit der ins­be­son­de­re in den länd­li­chen Räu­men ein ver­läss­li­ches Grund­an­ge­bot an öffent­li­chen Ver­kehrs­an­ge­bo­ten gewähr­leis­tet wird.

Ver­bes­ser­te Ange­bo­te der Bahn (und natür­lich auch der Bus­se!) allei­ne wer­den aber für eine Ver­kehrs­wen­de nicht aus­rei­chen. Wer ein Auto besitzt und es gewohnt ist, die­ses für einen Groß­teil der Wege zu nut­zen, wird das eige­ne Ver­hal­ten zumeist nicht wegen eines attrak­ti­ve­ren öffent­li­chen Ver­kehrs­an­ge­bo­tes ver­än­dern. Selbst die aktu­ell hohen Sprit­prei­se bewir­ken allei­ne wenig. Indi­vi­du­el­les Mobi­li­täts­ver­hal­ten folgt nicht bewuss­ten und schon gar nicht ratio­na­len Ent­schei­dun­gen, son­dern der Gewohn­heit, ja der – durch­aus mensch­li­chen – Träg­heit. Die Ver­knap­pung und Beprei­sung von öffent­li­chem Park­raum in den Städ­ten kann ein Ansatz sein, wie das Bei­spiel Wien zeigt. Gera­de für die meis­ten Kurz­stre­cken gibt es mit dem Fahr­rad oder dem zu Fuß gehen bes­se­re Ver­kehrs­mit­tel als das Auto. Und doch ent­fal­len 43 Pro­zent aller Auto­fahr­ten auf Distan­zen von bis zu fünf Kilo­me­ter. Eine für den Rad- und Fuß­ver­kehr sicher aus­ge­bau­te Infra­struk­tur macht den Umstieg ein­fa­cher.

Beim Auto muss sich viel tun, wenn wir fos­si­le Abhän­gig­keit und die Ver­schwen­dung von Ener­gie best­mög­lich hin­ter uns las­sen wol­len – und wenn wir mehr Platz für ande­re Nut­zun­gen als fürs flä­chen­in­ten­si­ve Par­ken und damit zuguns­ten lebens­wer­te­rer Orte schaf­fen wol­len. Der Fahr­zeug­be­stand muss run­ter. Mobi­li­tät lässt sich ent­spre­chend anders orga­ni­sie­ren, da die Autos ohne­hin im Durch­schnitt 95 Pro­zent der Zeit unge­nutzt her­um­ste­hen. Das Zau­ber­wort heißt „Nut­zen statt Eigen­tum“, also gemein­schaft­li­che Ver­füg­bar­keit. Wir brau­chen aber auch den mög­lichst schnel­len Aus­stieg aus dem Ver­bren­nungs­mo­tor bei der Neu­zu­las­sung von Pkw. Bis spä­tes­tens 2030 soll­te dies gelin­gen, zumal die Betriebs­kos­ten von bat­te­rie­elek­tri­schen Autos erheb­lich gerin­ger sind als die der Ver­bren­ner. Dies alles ist mit der „Ampel“ drin. Dar­über hin­aus wur­den von die­sem Drei­er-Bünd­nis auch wich­ti­ge Eini­gun­gen für den Güter­ver­kehr erzielt, so für die Ver­la­ge­rung auf die Schie­ne durch den Aus­bau von Gleis­an­schlüs­sen und Ter­mi­nals oder die Aus­wei­tung der Lkw-Maut. Schwie­ri­ger sieht es an ande­ren Stel­len mit dem Abbau öko­lo­gisch schäd­li­cher Sub­ven­tio­nen aus, so dem Dienst­wa­gen­pri­vi­leg, das fata­le Anrei­ze für schwe­re, ver­brauchs­in­ten­si­ve Autos schafft.

Die Ver­kehrs­wen­de kennt vie­le Gewin­ner: Die mensch­li­che Gesund­heit, die Lebens­qua­li­tät in den Dör­fern und Städ­ten, die Men­schen, die weni­ger durch von Umwelt- und Kli­ma­fol­gen belas­tet sein wer­den, sie alle gehö­ren dazu. Im Wesent­li­chen gibt es nur einen Ver­lie­rer: Putin und ande­re Dik­ta­to­ren. Gut, dane­ben viel­leicht auch noch so man­che Gewohn­heit …

Mat­thi­as Gastel, Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ter der Grü­nen und Mit­glied im Ver­kehrs­aus­schuss

Die­ser Text ist als Gast­bei­trag in „Klimareporter.de“ erschie­nen.