Seit September 2024 führt die Bundespolizei (BPOL) vorübergehende Kontrollen an den Nachbargrenzen, so von Polen, Österreich, Schweiz und Frankreich, durch. Die europäische Rechtsgrundlage erlaubt ausnahmsweise temporäre Wiedereinführungen von Grenzkontrollen bei Notlagen. Ob die anhaltende Notwendigkeit gegeben ist, ist nicht endgültig geklärt.
Ich wollte mir selbst ein Bild vor Ort machen und reiste nach Kehl. Am Grenzübergang nach Straßburg führt die Bundespolizei Offenburg Grenzkontrollen durch. Die Flächeninspektion Offenburg ist eine von fünf in Baden-Württemberg. Anfang August hat Alexander Dobrindt angekündigt, die vorübergehenden Kontrollen aufrechtzuerhalten.
Festgestellt werden an der französischen Grenze immer wieder unerlaubte Einreisen. Ins Netz gehen aber auch vermutliche Schleuser und Personen, die per Haftbefehl gesucht werden. Die Kontrollen führen immer wieder zu Ausweichbewegungen bei den bevorzugten Fluchtrouten. Wer in Basel beim Grenzübertritt scheitert, probiert es später beispielsweise in Kehl. Die Grenze Straßburg-Kehl gehört zu einer von fünf Hauptfluchtrouten, die von Schleusern für die irreguläre Migration genutzt wird. Unerlaubte Einreisen werden hauptsächlich mit Hilfe der öffentlichen Verkehrsmittel getätigt.
Durch die Kontrollen ergibt sich in Kehl das ungewohnte Bild von stehenden TGV und ICE. Normalerweise fahren die Fernzüge durch. Verspätungen werden im DB Navigator vorgemerkt. Aber auch im Nahverkehr mit der Tram leiden insbesondere Grenzpendler*innen unter den Kontrollen und den dadurch bedingten erhöhten Wartezeiten zur Arbeit oder Schule. Die Trams werden zwischen 5 und 15 Minuten aufgehalten, die Fernzüge vermutlich im ähnlichen Umfang. Auf der Straße können sich, je nach Kontrollintensität, im Extremfall Staus mit Wartezeiten von bis zu einer Stunde entwickeln. Dies wurde mir von der Bundespolizei bestätigt.
Im Gespräch mit der Bundespolizei war ein 15-Jähriger Schwarzer Schüler dabei, der in Straßburg zur Schule geht und in Kehl wohnt. In der grenzüberschreitende Tram wurde er häufiger kontrolliert als andere Fahrgäste. Das Risiko des racial profilings – also polizeilicher Maßnahmen, die nicht auf einem konkreten Anlass beruhen, sondern auf zugeschriebenen äußeren Merkmalen und sozialen Kategorisierungen wie „Schwarzsein“. Über die Gefahren und diskriminierenden Wirkungen solcher Praktiken haben wir mit der Bundespolizei intensiv diskutiert. Konfrontiert mit den Erfahrungen des Schülers heißt es von Seiten der BPOL, man schule und sensibilisiere das Personal immer wieder.
Alleine mit örtlichen Kräften sind die Grenzkontrollen in diesem Ausmaß nicht möglich. Unterstützt wird die BPOL Offenburg-Kehl dabei im wöchentlichen Wechsel durch die Bundesbereitschaftspolizei, um die Belastung der eingesetzten Kräfte zu kompensieren. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) übt deutliche Kritik an den anhaltenden Grenzkontrollen an den deutschen Außengrenzen. Sie fordert bessere Arbeitsbedingungen, mobile Kontrollstationen und mehr Planungssicherheit statt kurzfristiger Symbolpolitik. Insgesamt kosteten die Grenzkontrollen nach Regierungsangaben bis Ende Juni insgesamt 80 Millionen Euro. Mein Besuch zeigte mir aber auch ein Paradebeispiel von grenzüberschreitender Zusammenarbeit: Eine Streife der Gemeinsamen Deutsch-Französischen Diensteinheit (GDFD) ist immer von Polizist*innen beider Länder besetzt. Bei ihren Einsätzen ist die GDFD rechtlich nicht an Grenzen gebunden und kann bei einer Verfolgungsjagd problemlos über den Rhein agieren. Mit der Expertise und Ortskenntnis beider Seiten kann zusätzlich durch das geltende Recht auf zeitverzögernde Alarmierung der Nachbarpolizei verzichtet werden. Eine erfolgreiche Fahndung ist somit wahrscheinlicher.
Ich hatte, begleitet durch grüne Mitglieder aus der Kommunalpolitik und den 15-jährigen Schüler, zunächst ein längeres Gespräch mit der Bundespolizei an deren Dienstsitz geführt. Dann waren wir draußen auf der Europabrücke und beobachteten die Kontrollen. Schließlich gingen wir an den Bahnhof. Dort konnte ich mit einigen weiteren Angehörigen der Bundespolizei sprechen und die Kontrollen in einem ICE beobachten. Bei meiner Heimreise erlebte ich zudem die Kontrollen in einem aus Frankreich kommenden Regionalzug.
Vorher traf ich mich aber noch mit dem Kehler Oberbürgermeister zum Gespräch im Rathaus. In Kehl ergeben sich durch die “reine Symbolpolitik” finanzielle Einbußen. Früher kamen 60 bis 70 Prozent der Kehler Kundschaft des Einzelhandels aus Frankreich. Durch die Grenzkontrollen sind kurze Besuche in Kehl unattraktiver geworden. Insbesondere Drogeriemärkte, Gastronomie und Wochenmärkte sind von ausbleibender Kundschaft betroffen, ebenso die Hotellerie. Allerdings empfinden auch einige Kehler*innen die erhöhte Polizeipräsenz für gut.
Mein persönliches Fazit:
Ich bedanke mich bei allen Bundespolizistinnen und ‑polizisten für ihre tagtägliche Arbeit und den Schutz an Flughäfen, Bahnhöfen und Grenzen. Den Alleingang Deutschlands im Thema der illegalen Migration und Grenzkontrollen halte ich jedoch für gefährlich für den europäischen Zusammenhalt, der von Freizügigkeit lebt, und wünsche mir hier einen stärkeren europäischen Lösungsansatz.
Weitere Zahlen und Fakten bzgl. der unerlaubten Einreisen finden sich hier:
Außerdem habe ich in letzter Zeit auch spannende Einblicke in die Arbeit der Landespolizei erhalten: