Im Interview zu Elektro-Kleinstfahrzeugen
(veröffentlicht am 18.12.2018 in der Stuttgarter Zeitung)
Herr Gastel, E‑Skateboards, Elektro-Tretroller, E‑Scooter – wenn solche neuen Fahrzeuge plötzlich auf Rad- oder Gehwegen auftauchen, löst das auch Verunsicherung aus. Verstehen Sie das?
Ja, natürlich. Aber wenn wir uns auf die richtigen Regeln für diese Fahrzeuge einigen, sind sie eine große Chance bei sehr überschaubaren Risiken. Einen Großteil der Befürchtungen kann man schon mit der Klarstellung ausräumen, dass diese Gefährte auf den Gehwegen nichts zu suchen haben.
Worin soll denn diese große Chance genau bestehen?
Jede zweite Autofahrt findet im Kurzstreckenbereich von unter fünf Kilometern statt. Ein großer Teil dieser Fahrten ist potenziell verlagerbar – auf Zu-Fuß-Gehen oder Rad fahren. Da aber viele Verkehrsteilnehmer nicht zu diesem Umstieg bereit sind, liegt in einer dritten Alternativen – neben dem Öffentlichen Nahverkehr – eine Chance. Die Elektrokleinstfahrzeuge stellen eine solche Alternative dar. Kurzstrecken mit dem Auto sind mit Lärm, Platzverbrauch und Abgasen verbunden. Das ließe sich mit den E‑Fahrzeugen vermeiden.
Die Bundesregierung hat nun eine Verordnung vorgelegt…
Ja, das war längst überfällig. Wir brauchen die Verordnung, um die Bedingungen zu definieren, unter denen die E‑Fahrzeuge zugelassen werden. Die Sicherheit für die Nutzer und die anderen Verkehrsteilnehmer muss gewährleistet werden. Und die Verordnung darf Innovationen nicht ausbremsen, sondern muss sie fördern. Aber die vogelegte Verordnung ist leider mutlos und überreguliert.
Die Verordnung schreibt für E‑Fahrzeuge eine Halte- und Lenkstange vor. Damit werden E‑Skateboards und selbst balancierende Einräder ausgegrenzt. Wie finden Sie das?
Das ist ein Punkt, an dem sich die Ängstlichkeit des Entwurfs zeigt. Wir finden diese Begrenzung nicht notwendig. Wir sehen keine Begründung, sie auszuschließen. Sie sind nicht per se gefährlich. Niemand kann ohne jede Übung sicher auf einem Fahrrad fahren. Deshalb ist es aber nicht verboten. Man setzt eine Übungszeit voraus, bis eine sichere Verkehrsteilnahme möglich ist. Dasselbe muss auch für diese Gruppe der E‑Fahrzeuge gelten.
Die Verordnung schreibt für die E‑Kleinstfahrzeuge den Mofa-Führerschein vor. Warum kritisieren Sie das?
Das ist überzogen und nicht begründbar. Das, was man beim Erwerb des Mofa-Führerscheins lernt, hat mit den E‑Kleinstfahrzeugen einfach nichts zu tun. Dort lernt man die Spezifika eines Mofas, die sind aber nicht übertragbar. Der Mofa-Führerschein ist zudem für Fahrzeuge gedacht, die wir eigentlich im städtischen Raum gar nicht mehr haben wollen: nämlich laute und Emissionen absondernde Gefährte. Das passt also überhaupt nicht. Aus unserer Sicht reicht es, eine Altersgrenze festzulegen. Da wären 14 Jahre angemessen.
Wo sollen die Fahrzeuge denn fahren? Die Verordnung sagt im Prinzip: Auf dem Radweg, und wenn es den nicht gibt: auf der Fahrbahn. Insbesondere ältere Radfahrer könnten sich von den neuen Gefährten aber irritiert fühlen.
Da sind wir mit der Verordnung einverstanden. Die E‑Kleinstfahrzeuge sind dort am besten aufgehoben, wo auch der Radverkehr am besten aufgehoben ist. Die zugelassene Maximalgeschwindigkeit von 20 km/h orientiert sich ja auch an der Durchschnittsgeschwindigkeit des Radverkehrs. Der Gehweg muss tabu sein. Aber wichtig ist: Um Konflikte zu vermeiden, werden wir in Zukunft Radwege breiter bauen müssen.
Aber dort, wo es keine Radwege gibt, könnte man bald E‑Skateboards oder E‑Einräder auf der Fahrbahn sehen. Das ist eine Vorstellung, die auch Befürchtungen auslösen kann.
Man muss die Sicherheitsanforderungen der E‑Fahrzeuge definieren. Dazu gehören Bremssysteme und Beleuchtung. Insgesamt gilt: Jeder, der am Straßenverkehr teilnimmt, muss sich auf dem benutzten Fahrzeug sicher bewegen können. Dazu gehört Übung. Unter dieser Maßgabe macht mir das keine Sorgen.