Im Dialog mit Flughafengesellschaft

Zum Gespräch mit der Geschäfts­füh­rung der Flug­ha­fen Stutt­gart GmbH (FSG) habe ich dies­mal inter­es­sier­te Mit­glie­der der Grü­nen aus den Lan­des­ar­beits­ge­mein­schaf­ten „Mobi­li­tät“ und „Ener­gie“ hin­zu­ge­la­den. Wir hat­ten also – auf bei­den Sei­ten – viel Sach­ver­stand am Tisch. An The­men man­gel­te es nicht: Der neue Nach­hal­tig­keits­be­richt der FSG mit­samt Flug­lärm, Ener­gie inklu­si­ve Fra­gen zu Antrie­ben und Kraft­stoff für die Flug­zeu­ge sowie selbst­ver­ständ­lich der Kli­ma­schutz. Der Flug­ha­fen will ent­spre­chend der Lan­des­zie­le bis 2040 kli­ma­neu­tral wer­den.

Doch zunächst erst­mal etwas Sta­tis­tik: Am Flug­ha­fen Stutt­gart wur­den im ver­gan­ge­nen Jahr knapp 8,5 Mil­lio­nen Flug­gäs­te[1] gezählt[2]. Gegen­über dem Vor­jahr ist dies ein Plus von 20,7 Pro­zent. Vor Coro­na wur­den noch 12,7 Mil­lio­nen Flug­gäs­te gezählt. Im lau­fen­den Jahr wird mit 9,4 Mil­lio­nen gerech­net. Die Zahl der Flug­be­we­gun­gen lag 2023 etwa 92.000 Starts und Lan­dun­gen, was einem Plus von 7,3 Pro­zent im Ver­gleich zum Vor­jahr ent­spricht. Die FSG bestä­tig­te die aus den Zah­len abge­lei­te­te Ver­mu­tung, dass der Trend zu grö­ße­ren Flug­zeu­gen anhält. Sie ergänz­te, dass es deut­lich weni­ger Geschäfts­rei­sen­de gibt, als dies vor Coro­na und dem damit ver­bun­de­nen Trend zu Video­kon­fe­ren­zen der Fall war. Die Zunah­me resul­tiert also stark auf Urlaubs­flü­gen. Eine Aus­schöp­fung der Kapa­zi­tä­ten hat­te es vor Coro­na mit höhe­ren Flug­zah­len nicht gege­ben und ist auch zukünf­tig nicht zu erwar­ten, wes­halb es für eine Dis­kus­si­on um eine zwei­te Start­bahn kei­nen Grund gibt, so die FSG.

Wer den Nach­hal­tig­keits­be­richt der FSG liest stellt fest, dass der Flug­ha­fen beim Ver­brauch von Ener­gie und Was­ser sowie bei der Ent­ste­hung von Müll einer Klein­stadt ent­spricht. Bei der Eigen­erzeu­gung von Strom ist der Flug­ha­fen schon sehr lan­ge aktiv: Frü­her gab es ein eige­nes Gas­kraft­werk. Ein gas­be­trie­be­nes Block­heiz­kraft­werk, für das nach einem alter­na­ti­ven Ener­gie­trä­ger gesucht wird, gibt es nach wie vor. Vor Jah­ren wur­de ein rie­si­ges Pho­to­vol­ta­ik-Kraft­werk am Park­haus über der Auto­bahn errich­tet. Seit eini­gen Mona­ten gibt es die ers­te Frei­flä­chen-PV-Anla­ge inner­halb des ein­ge­zäun­ten Sicher­heits­be­reichs. Links und rechts der Pis­te sind wei­te­re, grö­ße­re Solar­parks in Pla­nung. Dar­über habe ich mich vor kur­zem vor Ort infor­miert, sie­he: https://www.matthias-gastel.de/stromernte-neben-der-startbahn/ Die FSG beton­te, dass sie mit eige­ner Pho­to­vol­ta­ik nie­mals den gesam­ten Strom­be­darf am Flug­ha­fen decken kann, aber viel­leicht 80 bis 90 Pro­zent.

Nahe­lie­gend wäre der Gedan­ke, dass auf dem Flug­ha­fen­ge­län­de mit dem Solar­strom gleich E‑Fuels für die Flug­zeu­ge her­ge­stellt wird. Doch dafür bräuch­te es eines Viel­fa­chen an Strom, da die Umwand­lung mit­tels Elek­tro­ly­se mit erheb­li­chen Energie“verlusten“ ein­her geht. Die FSG hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2040 „net­to-treib­haus­gas­neu­tral“ zu wer­den. Dafür sol­len zwei Mil­li­ar­den Euro inves­tiert wer­den. Neben dem Aus­bau der Pho­to­vol­ta­ik ist die ener­ge­ti­sche Sanie­rung von Ter­mi­nal 4 vor­ge­se­hen.[3] Hier kann die FSG durch­grei­fen­de Ent­schei­dun­gen tref­fen. Beim Flug­ver­kehr an sich ist dies erheb­lich schwie­ri­ger. Alter­na­ti­ve Antrie­be ste­hen noch nicht zur Ver­fü­gung, eben­so wenig auch nur annä­hernd aus­rei­chen­de Men­gen an E‑Fuels bzw. syn­the­ti­schem Kero­sin. Per­spek­ti­visch könn­ten auf Kurz­stre­cken bat­te­rie­ge­trie­be­ne Flug­zeu­ge zum Ein­satz kom­men und auf mitt­le­ren und lan­gen Stre­cken Was­ser­stoff.[4] Das sieht auch die FSG so und ver­weist auf die Inef­fi­zi­enz in der Her­stel­lung von Was­ser­stoff und noch mehr bei der Her­stel­lung von E‑Fuels, wes­halb Letz­te­re für Lang­stre­cken­flüü­ge genutzt wer­den sol­len. Es läuft For­schung, so die FSG unter Ver­weis auf Her­aus­for­de­run­gen für die Her­stel­lung, den Trans­port und die Lage­rung alter­na­ti­ver Ener­gie­trä­ger.

Ein wei­te­res wich­ti­ges The­ma ist der Lärm. Die Anzahl an Beschwer­den über Flug­lärm haben in letz­ter Zeit deut­lich zuge­nom­men. Dies hat wesent­lich mit der neu­en Flug­rou­te „Ted­go“ zu tun, die bei Ost­wind über zuvor unbe­las­te­tes Gebiet geflo­gen wer­den darf. Damit habe ich mich in den letz­ten Mona­ten inten­siv befasst, sie­he https://www.matthias-gastel.de/ueber-flugroute-tedgo-im-gespraech/ Fest­stell­bar ist, dass der Flug­be­trieb seit kur­zem auch deut­lich in den Fil­der­städ­ter Stadt­tei­len Bon­lan­den und Plat­ten­hardt zu hören ist (was ich sel­ber bezeu­gen kann). Der Nach­hal­tig­keits­be­richt weist aus, dass die Anzahl der von Flug­lärm betrof­fe­nen Men­schen von 2021 über 2022 bis 2023 erheb­lich zuge­nom­men hat. Einem Dau­er­schall­pe­gel von 60 bis 65 dB(A) tags und abends sind dem­nach 1.090 Men­schen aus­ge­setzt (2022: 720; ent­spricht einem Plus um 51 Pro­zent). Nachts nahm die Anzahl der Betrof­fe­nen im Bereich von 50 bis 55 dB(A) von 3.900 im Jahr 2022 auf 5.020 in 2023 zu (ent­spricht einem Plus um 29 Pro­zent). Der Flug­ha­fen ver­wies im Gespräch auf die zuneh­men­den Flug­be­we­gun­gen und dar­auf, dass in 2023 und auch im bis­he­ri­gen Ver­lauf von 2024 zusätz­li­che Boing 747 von Unter­neh­men wie Küh­ne & Nagel unter­wegs waren, die zwar durch­aus mit neu­er Tech­nik aus­ge­stat­tet sind, aber wegen ihrer Grö­ße und ihrem Gewicht in die „lau­te“ Lärm­ka­te­go­rie 10 ein­ge­stuft wer­den. Mit den lärm­ab­hän­gi­gen Start­ge­büh­ren setzt man, dar­auf ver­wies die FSG, bereits im Ver­gleich zu ande­ren Flug­hä­fen stär­ke­re Impul­se, lei­se­res Flug­ge­rät ein­zu­set­zen.

Im wei­te­ren Ver­lauf des Gesprächs ging es noch um die Ver­kehrs­mit­tel­wahl von Beschäf­tig­ten am Flug­ha­fen und bei der An- und Abrei­se der Flug­gäs­te, um den Umgang mit dem Ober­flä­chen­was­ser der Start­bahn und um den Umgang von Kli­ma­grup­pen wie „Letz­te Gene­ra­ti­on“.

[1] Die inter­na­tio­na­le Zivil­luft­fahrt­or­ga­ni­sa­ti­on der UNO erwar­tet bis zum Jahr 2040 glo­bal eine Ver­dop­pe­lung der Flug­gast­zah­len gegen­über denen des Jah­res 2019. Die größ­te Zunah­me wird in Süd­ost­asi­en erwar­tet. Quel­le: Stutt­gar­ter Nach­rich­ten vom 12.08.2024.

[2] https://www.flughafen-stuttgart.de/newsroom/pressebereich/pressemitteilungen/2024/luftverkehr-weiter-im-aufwind‑8–4‑millionen-fluggaeste-am-str-im-jahr-2023/#:~:text=Luftverkehr%20weiter%20im%20Aufwind%3A%208,%3A%206.997.032%20Flugg%C3%A4ste).

[3] Stutt­gar­ter Nach­rich­ten vom 07.08.2024

[4] Ein­schät­zung des Deut­schen Zen­trums für Luft- und Raum­fahrt, Stutt­gar­ter Nach­rich­ten vom 12.08.2024