Mobilität der Zukunft muss emissionsarm und ressourcensparend sein

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24.06.2019

E‑Autos oder Verbrenner? Weniger Autos!

Selt­sam, dass häu­fig so getan wird, also ob die Res­sour­cen­fra­ge erst­ma­lig mit dem moder­nen E‑Auto auf­ge­kom­men wäre. Die Fra­ge stellt sich seit der indi­vi­du­el­len Mas­sen­mo­to­ri­sie­rung. Wem es ernst ist mit dem Schutz der nicht nach­wach­sen­den Res­sour­cen unse­rer einen Erde, der muss grund­sätz­li­cher und ehr­li­cher an die­se zen­tra­le The­men­stel­lung her­an­tre­ten. Der muss dann bereit sein, Gewohn­hei­ten zu hin­ter­fra­gen und umzu­den­ken. Doch der Rei­he nach: In Deutsch­land sind 47 Mil­lio­nen Pkw zuge­las­sen. Ten­denz in jeder Hin­sicht stei­gend: Mehr, grö­ßer, schwe­rer. Die Autos ste­hen im Durch­schnitt 23 Stun­den am Tag. Jedes Auto bean­sprucht gleich meh­re­re Park­plät­ze, so bei­spiels­wei­se zuhau­se und am Arbeits­platz. Wenn sie unter­wegs sind, blei­ben meist 80 Pro­zent der Sitz­plät­ze leer. Das bin­det Res­sour­cen in Form von Flä­chen und Roh­stof­fen. Das am meis­ten im Auto mit einem Anteil von durch­schnitt­lich 800 Kilo­gramm ver­bau­te Mate­ri­al ist Eisen bezie­hungs­wei­se Stahl. Mit der Erz­för­de­rung geht die Zer­stö­rung von Regen­wäl­dern und mit der Ver­ar­bei­tung ein hoher Ener­gie­ver­brauch sowie Luft- und Was­ser­ver­schmut­zung ein­her. Wegen der hohen Nach­fra­ge wer­den zuneh­mend kon­flikt­träch­ti­ge Gebie­te zum Abbau genutzt. In Bra­si­li­en star­ben im Janu­ar 2019 über 300 Men­schen in Eisen­erz­mi­nen oder gel­ten noch als ver­misst. Dies war nicht die ers­te Tra­gö­die in schlecht gesi­cher­ten Abbau­stät­ten, in denen der Pro­fit im Vor­der­grund steht. Ein wei­te­res Mate­ri­al, das in gro­ßen Men­gen in Autos ver­baut wird, ist Alu­mi­ni­um. Die Hälf­te des in Deutsch­land ver­brauch­ten Leicht­me­talls wan­dert in den Fahr­zeug­bau, pro Auto durch­schnitt­lich 160 Kilo­gramm. Für das Aus­gangs­mi­ne­ral Bau­xit wer­den Natur­wäl­der gero­det und dabei ent­ste­hen­der schwer­me­tall­hal­ti­ger Schlamm ver­seucht immer wie­der Gewäs­ser. Der hohe Ener­gie­auf­wand für die Wei­ter­ver­ar­bei­tung des Erzes belas­tet die Ener­gie­bi­lanz eines jeden Autos. Ähn­li­che Umwelt­pro­ble­me ver­ur­sacht Kup­fer. Der durch­schnitt­li­che Kup­fer­ge­halt in den Erzen sinkt, wodurch für die Auf­be­rei­tung immer mehr Was­ser und Ener­gie benö­tigt sowie Was­ser und Luft ver­schmutzt wer­den. Ent­wick­lungs­hil­fe­or­ga­ni­sa­tio­nen bekla­gen, dass es immer wie­der zu Zwangs­um­sied­lun­gen von Men­schen kam, um an den Roh­stoff her­an­zu­kom­men. Mehr und mehr kom­men Kunst­stof­fe, etwa 150 bis 200 Kilo­gramm pro Fahr­zeug, zum Ein­satz. Das Recy­cling der bei­spiels­wei­se für Arma­tu­ren und Tanks ein­ge­setz­ten Mate­ria­li­en stößt auch des­halb an sei­ne Gren­zen, weil häu­fig Glas oder Car­bon bei­gemischt wird. Ohne­hin wird nur jedes fünf­te der ursprüng­lich in Deutsch­land zuge­las­se­nen Autos am Ende der Nut­zungs­zeit in Deutsch­land ver­wer­tet. Die gro­ße Mehr­zahl der Alt­au­tos wird ins Aus­land expor­tiert. Inwie­fern dort Roh­stof­fe recy­celt wer­den ist unklar. Die bis hier beschrie­be­nen Belas­tun­gen für Men­schen und Umwelt ent­ste­hen für die Roh­stoff­ge­win­nung und ‑ver­ar­bei­tung für den Bau von Autos unab­hän­gig von deren Antriebs­art. Bei elek­trisch ange­trie­be­nen Fahr­zeu­gen – dazu zäh­len bat­te­rie­elek­tri­sche wie mit Brenn­stoff­zel­len aus­ge­stat­te­te Autos – kom­men die Akkus hin­zu. Meist wird auf die Lithi­um-Ionen-Tech­no­lo­gie gesetzt. Mit dem Abbau von Lithi­um gehen ein extrem hoher Was­ser­brauch und die Ver­sal­zung von Böden ein­her. Im Zusam­men­hang mit Kobalt, das bis­lang über­wie­gend als Neben­pro­dukt von Kup­fer abge­baut wird, wird häu­fig über schlech­te Arbeits­be­din­gun­gen und Kin­der­ar­beit im Kon­go berich­tet. Kobalt wird jedoch kei­nes­wegs nur für Akkus ver­wen­det, son­dern teil­wei­se schon seit sehr lan­ger Zeit Far­ben und Legie­run­gen bei­gemischt und kommt auch in der Medi­zin zum Ein­satz.

Dem müs­sen bei fos­sil betrie­be­nen Ver­brenn­erfahr­zeu­gen die ver­schmutz­ten Böden und Mee­re durch die Roh­öl­för­de­rung und des­sen Trans­port über meist Tau­sen­de von Kilo­me­tern gegen­über gestellt wer­den. Auch Krie­ge wur­den schon ums Öl geführt. Hin­zu kom­men der hohe Ener­gie­auf­wand in den Raf­fi­ne­rien, die gerin­gen Wir­kungs­gra­de der Ver­bren­nungs­mo­to­ren von unter 50 Pro­zent und die Schad­stoff- sowie die CO2-Emis­sio­nen beim Fah­ren. Wenig gespro­chen wird auch dar­über, dass E‑Autos zu einem Nach­fra­ge­rück­gang nach den Roh­stof­fen Pla­tin und Pal­la­di­um füh­ren. Das Edel­me­tall Pla­tin kommt in Kata­ly­sa­to­ren zur Abgas­nach­be­hand­lung von Ver­brenn­erfahr­zeu­gen zum Ein­satz. Sein Abbau, der über­wie­gend in Süd­afri­ka erfolgt, erfor­dert einen hohen Was­ser­ver­brauch in was­ser­ar­men Regio­nen und ver­schmutzt die­ses. In teil­wei­se unzu­rei­chend gesi­cher­ten Minen kom­men gering bezahl­te Wan­der­ar­bei­ter zum Ein­satz. Was folgt aus die­sen Erkennt­nis­sen? Eine kur­ze Zwi­schen­bi­lanz: Wir müs­sen den auto­mo­bi­len Teil unse­rer Mobi­li­tät mit deut­lich weni­ger und klei­ne­ren, leich­te­ren Autos orga­ni­sie­ren. Mit Car­sha­ring und Fahr­ge­mein­schaf­ten ist dies mög­lich. Aber wie sol­len die Autos zukünf­tig ange­trie­ben wer­den? Nahe­zu alle Stu­di­en geben hier­zu eine kla­re Ant­wort: Bat­te­rie­elek­tri­sche Autos schnei­den unter Berück­sich­ti­gung aller Fak­to­ren bes­ser ab als sol­che, die mit Ben­zin oder Die­sel fah­ren. Dies hängt auch mit deren unschlag­bar hoher Ener­gie­ef­fi­zi­enz zusam­men. Im Ergeb­nis sehen das auch Brot für die Welt und Mise­re­or so. Bei­de Orga­ni­sa­tio­nen haben sich inten­siv mit den Fol­gen der Roh­stoff­ge­win­nung für Mensch und Umwelt in Ent­wick­lungs­län­dern befasst: „Die sozia­len, öko­lo­gi­schen und men­schen­recht­li­chen Kos­ten der Mobi­li­tät in Deutsch­land, die auf dem Pkw im Pri­vat­be­sitz basiert, wer­den zu gro­ßen Tei­len exter­na­li­siert.“ Und wei­ter: „Aus ent­wick­lungs­po­li­ti­scher Sicht sind sowohl fos­sil als auch elek­trisch betrie­be­ne Pkw pro­ble­ma­tisch.“ Ziel einer zukunfts­fä­hi­gen und glo­bal gerech­ten Mobi­li­täts­po­li­tik müs­se es daher sein, die Zahl der Autos dras­tisch zu redu­zie­ren. Die Bun­des­re­gie­rung müs­se ein Aus­stiegs­sze­na­rio für den Ver­bren­nungs­mo­tor erar­bei­ten. Kla­re Ansa­ge der bei­den Ent­wick­lungs­or­ga­ni­sa­tio­nen! Die Umwelt­bi­lanz von E‑Autos lässt sich ver­bes­sern, wenn der Anteil beson­ders pro­ble­ma­ti­scher Roh­stof­fe in den Akkus wei­ter redu­ziert wer­den kann, die Roh­stof­fe recy­celt wer­den und aus­schließ­lich Strom aus erneu­er­ba­ren Ener­gien zum Ein­satz kommt. Letz­te­res ist heu­te schon über­wie­gend der Fall, so bei­spiels­wei­se an den öffent­li­chen Lade­säu­len. Was folgt nun aus all die­sen Erkennt­nis­sen? Mei­ne Schluss­bi­lanz: Da Mobi­li­tät ins­be­son­de­re in länd­lich gepräg­ten Regio­nen noch lan­ge stark vom Auto abhängt, wird es kei­ne Lösung ohne den Antriebs­wech­sel hin zum mög­lichst klein gehal­te­nen bat­te­rie­elek­tri­schen Auto geben kön­nen. Die­ses kann aber ledig­lich Teil einer Lösung sein, die ins­be­son­de­re in der Stär­kung der öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­tel und des Rad­ver­kehrs zu fin­den ist. Der Umwelt­vor­teil die­ser alter­na­tiv ange­trie­be­nen Autos gegen­über den Per­so­nen­kraft­wa­gen mit Ver­bren­nungs­mo­tor kann kein viel radi­ka­le­res Umden­ken in der Mobi­li­tät erset­zen. Wenn wir Mobi­li­tät nach­hal­tig und für alle sichern wol­len, brau­chen wir erheb­lich weni­ger und klei­ne­re Autos, wei­test­ge­hend auto­freie Städ­te und vor allem einen mas­si­ven Aus­bau der Bus- und Bahn­an­ge­bo­te. Zudem ist für die­ses Ziel der Aus­bau eines attrak­ti­ven, siche­ren Rad­ver­kehrs­net­zes von ent­schei­den­der Wich­tig­keit.

Für man­che klingt das nach gro­ßen Ver­än­de­run­gen. Unse­re Gesund­heit, lebens­wer­te Städ­te, der Schutz des Kli­mas und die Scho­nung end­li­cher Res­sour­cen – kurz­um: Die Zukunft kom­men­der Gene­ra­tio­nen – soll­te uns das wert sein.

Die­ser Text erschien am 10.06.2019 als mein Gast­bei­trag auf Klimareporter.de