Per Gesetz Verkehrsprojekte schneller umsetzen?

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20.02.2020

Einig im Ziel – Streit um das Wie

Dass auch poli­tisch weit­ge­hend unstrit­ti­ge, von den meis­ten Bür­ge­rin­nen und Bür­gern über­wie­gend für sinn­voll erach­te­te Ver­kehrs­pro­jek­te von der ers­ten Über­le­gung bis zur Voll­endung Jahr­zehn­te benö­ti­gen ist ein unhalt­ba­rer Zustand. Das muss sich ändern. Aber wie?

Vom Bun­des­tag wur­den kürz­lich zwei Geset­ze ver­ab­schie­det. Das „Gesetz zur wei­te­ren Beschleu­ni­gung von Pla­nungs- und Geneh­mi­gungs­ver­fah­ren im Ver­kehrs­be­reich“ sieht vor, dass bestimm­te Ersatz­neu­bau­ten (Abriss einer Brü­cke und Ersatz durch eine ver­gleich­ba­re Brü­cke) von der Geneh­mi­gungs­pflicht aus­ge­nom­men wer­den und dass Kom­mu­nen sich an der Finan­zie­rung der Besei­ti­gung von Bahn­über­gän­gen in gerin­ge­rem Umfang als bis­her betei­li­gen müs­sen. Die­ses Gesetz war im Bun­des­tag unstrit­tig und auch wir Grü­ne haben zuge­stimmt. Anders beim zwei­ten Gesetz, dem „Maß­nah­men­ge­setz­vor­be­rei­tungs­ge­setz“. Es benennt kon­kret sie­ben Schie­nen- und fünf Was­ser­stra­ßen­pro­jek­te. Die benann­ten Pro­jek­te an sich sind nicht das Pro­blem. Wir sehen Pro­ble­me in der unzu­rei­chen­den Bür­ger­be­tei­li­gung und den rechts­staat­li­chen Ein­grif­fen. So ist zwar eine „früh­zei­ti­ge Bür­ger­be­tei­li­gung“ vor­ge­se­hen. Tat­säch­lich geplant ist aber nicht mehr als eine Bür­ger­infor­ma­ti­on. Am Ende des Pla­nungs­ver­fah­rens soll kein behörd­li­cher Plan­fest­stel­lungs­be­schluss ste­hen, son­dern eine Befas­sung im Bun­des­tag und eine Gesetz­ge­bung zu jedem ein­zel­nen Pro­jekt. Wie die­se ein­ge­lei­tet und inner­halb des par­la­men­ta­ri­schen Ver­fah­rens aus­ge­stal­tet wer­den sol­len ist völ­lig offen. Es han­delt sich um hoch detail­lier­te Pla­nun­gen, mit denen sich der Bun­des­tag oder sei­ne Aus­schüs­se befas­sen müss­ten. Mit wel­chen per­so­nel­len Kapa­zi­tä­ten und wel­chem ver­tief­ten Beur­tei­lungs­ver­mö­gen? Zwei Schie­nen­pro­jek­te, die wegen des über­ge­setz­li­chen Lärm­schut­zes vom Bun­des­tag beschlos­sen wer­den müs­sen, war­ten seit über einem hal­ben Jahr auf eine Befas­sung. Noch ist unklar, wie das Ver­fah­ren lau­fen soll. Dies lässt befürch­ten, dass mit dem neu­en Gesetz wei­te­re Pro­jek­te län­ger in Ver­fah­ren ste­cken wer­den als bis­her. Schließ­lich soll der Rechts­weg beschnit­ten wer­den. Nur in Aus­nah­me­fäl­len kann gegen die pro­jekt­be­zo­ge­nen Maß­nah­men­ge­set­ze mit einer Ver­fas­sungs­be­schwer­de vor dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt vor­ge­gan­gen wer­den. Die­se Ver­fah­ren kön­nen auf­grund der Über­las­tung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts aber Jah­re dau­ern …

Die meis­ten Sach­ver­stän­di­gen, die sich zum Gesetz geäu­ßert hat­ten, haben Zwei­fel[1] ange­mel­det, ob es vor dem höchs­ten Gericht Stand hält. Am Ende könn­te wert­vol­le Zeit für eine unsin­ni­ges Gesetz ver­geu­det wor­den sein.

Eini­ge erfolg­ver­spre­chen­de Ansät­ze für die Stär­kung von Bür­ger­rech­ten und die Beschleu­ni­gung von Ver­kehrs­pro­jek­ten:

  1. Die früh­zei­ti­ge Bür­ger­be­tei­li­gung muss den Raum bie­ten, um sich mit Alter­na­ti­ven und Vari­an­ten aus­ein­an­der­zu­set­zen. Eine rei­ne Infor­ma­ti­on ist zu wenig. Denk­bar ist, dass die früh­zei­ti­ge Bür­ger­be­tei­li­gung nicht allei­ne von der Vor­ha­bens­trä­ge­rin (meist DB Netz) durch­ge­führt wird, son­dern dass es eine neu­tra­le Mode­ra­ti­on gibt. Eine gut orga­ni­sier­te früh­zei­ti­ge Bür­ger­be­tei­li­gung deckt in einem frü­hen Pla­nungs­sta­di­um mög­li­che Kon­flik­te (z. B. Lärm) auf und ermög­licht, dass die­se in den wei­te­ren Pla­nun­gen berück­sich­tigt wer­den. Dies erhöht die Akpe­tanz des Pro­jek­tes und ver­rin­gert die Wahr­schein­lich­keit, dass dage­gen geklagt wird. Wei­te­re Pla­nungs­schrit­te kön­nen von lang­wie­ri­gen Strei­tig­kei­ten und Dis­kus­sio­nen über Alter­na­tiv­va­ri­an­ten ent­las­tet wer­den. Für die früh­zei­ti­ge Bür­ger­be­tei­li­gung braucht es ver­bind­li­che Min­dest­stan­dards.
  2. Von zen­tra­ler Bedeu­tung sind die gute per­so­nel­le Aus­stat­tung bei den Pla­nungs­ver­ant­wort­li­chen, per­so­nel­le Kon­ti­nui­tät, Voll­stän­dig­keit und hohe Qua­li­tät der Pla­nungs­un­ter­la­gen.
  3. Eben­so kommt es auf die aus­rei­chen­de Per­so­nal­aus­stat­tung bei der Geneh­mi­gungs­be­hör­de, dem Eisen­bahn­bun­des­amt (EBA), an. Im Stel­len­plan wur­den zusätz­li­che Stel­len geschaf­fen. Es bleibt abzu­war­ten, ob die­se mit qua­li­fi­zier­tem Per­so­nal besetzt wer­den kön­nen.
  4. Auch die Bau­wirt­schaft ver­fügt über knap­pe Res­sour­cen. Daher ist es poli­tisch gebo­ten, die Auf­trä­ge im Stra­ßen­bau zurück­zu­fah­ren, um die per­so­nel­len und tech­ni­schen Kapa­zi­tä­ten der Bau­wirt­schaft ver­stärkt der Schie­ne zugu­te­kom­men zu las­sen und noch dazu den mas­si­ven Preis­an­stieg im Bahn­bau zu dämp­fen.
  5. Das Raum­ord­nung- und das Plan­fest­stel­lungs­ver­fah­ren müs­sen stär­ker ver­netzt, viel­leicht sogar zusam­men­ge­legt wer­den, um Dop­pel­prü­fun­gen zu ver­mei­den.

Pro­jek­te las­sen sich schnel­ler umset­zen als bis­her üblich. Dafür gibt es wirk­sa­me­re Ansät­ze als die Beschnei­dung von Bür­ger­rech­ten oder des Natur­schut­zes!

Wei­te­re Infos über unse­re Kri­tik und Ideen für eine schnel­le­re Umset­zung sinn­vol­ler Schie­nen­pro­jek­te sind hier zu fin­den: https://www.matthias-gastel.de/schienenprojekte-schneller-umsetzen/

[1] Die Zwei­fel bezie­hen sich auf eine älte­re Recht­spre­chung des BVerfG, wonach eine Maß­nah­men­ge­setz­ge­bung nur bei außer­ge­wöhn­li­chen Erfor­der­nis­sen und damit in beson­ders gut begrün­de­ten Ein­zel­fäl­len zuläs­sig sei. Auch uni­ons­recht­lich wird das Gesetz als kri­tisch erach­tet, da es den nor­ma­ti­ven Vor­ga­ben des EU-Umwelt­rechts wider­spre­chen könn­te. Des Wei­te­ren wird ein Ver­stoß gegen die „Aar­hus-Kon­ven­ti­on“ gese­hen, nach der gericht­li­cher Rechts­schutz gewährt blei­ben muss. Quel­le: Stel­lung­nah­men meh­re­rer Sach­ver­stän­di­ger für die Anhö­rung im Bun­des­tags-Ver­kehrs­aus­schuss und Rechts­gut­ach­ten für die Bun­des­tags­frak­ti­on BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.