“Verkehrsflächen neu aufteilen!”

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22.03.2019

Plenarrede zu E‑Kleinstfahrzeugen

Mat­thi­as Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehr­te Frau Prä­si­den­tin! Lie­be Kol­le­gin­nen! Lie­be Kol­le­gen! Wir als Grü­ne sind seit dem Jahr 2015 inten­siv an die­sem The­ma dran und set­zen uns für die Frei­ga­be der Elek­tro­kleinst­fahr­zeu­ge ein. Ande­re Län­der, auch in Euro­pa, sind uns da um Jah­re vor­aus. In Deutsch­land wird sehr spät, sehr zöger­lich, sehr kom­pli­ziert und viel­fach lei­der auch zulas­ten des Fuß- und Rad­ver­kehrs reagiert.

(Felix Schrei­ner (CDU/CSU): Sehr nega­tiv!)

Die­se Zöger­lich­keit führt dazu, dass vie­le Start-ups mit ihren Ideen, die hin­ter die­sen Mobi­li­täts­kon­zep­ten ste­cken, lan­ge war­ten muss­ten, bis end­lich die Frei­ga­be für die­se Fahr­zeu­ge erteilt wur­de und sie end­lich ihre Pro­duk­te auf den Markt brin­gen kön­nen. Aber wir haben schon einen unre­gu­lier­ten Markt, und das ist natür­lich ein Pro­blem.

Die Kleinst­fahr­zeu­ge bie­ten eine gan­ze Men­ge Chan­cen. Die Hälf­te aller Auto­fahr­ten fin­det im Kurz­stre­cken­be­reich statt. Und wer, aus wel­chen Grün­den auch immer, Kurz­stre­cken nicht mit dem Fahr­rad oder zu Fuß zurück­le­gen möch­te, bekommt mit den Elek­tro­kleinst­fahr­zeu­gen eine drit­te Alter­na­ti­ve zu Auto­fahr­ten auf kur­zen Stre­cken zur Ver­fü­gung gestellt.

(Bei­fall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jörg Cezan­ne (DIE LINKE))

Elek­tro­kleinst­fahr­zeu­ge kön­nen auch Schwung in Sha­ring-Kon­zep­te brin­gen und eine Emp­feh­lung für E‑Mobilität ins­ge­samt und damit auch für den Abschied vom Ver­bren­ner­au­to dar­stel­len. Die­se Chan­cen müs­sen aber klug genutzt wer­den. Und klug nut­zen bedeu­tet, Ent­wick­lung zuzu­las­sen und gleich­zei­tig auf die Ver­kehrs­si­cher­heit beson­ders acht­zu­ge­ben.

(Bei­fall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann kön­nen die Chan­cen genutzt wer­den, bei­spiels­wei­se in Ergän­zung zu öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln, durch die Mit­nah­me die­ser Fahr­zeu­ge in Bus und Bahn, was auf­grund des Gewichts und der Grö­ße die­ser Fahr­zeu­ge viel ein­fa­cher mög­lich ist als beim Fahr­rad.

Wir erken­nen durch­aus an, dass die Bun­des­re­gie­rung gegen­über ihren ers­ten Ent­wür­fen einer Ver­ord­nung nach­ge­bes­sert hat. So gibt es bei­spiels­wei­se kei­ne Vor­ga­be mehr für den Mofa­füh­rer­schein. Es gibt die Mög­lich­keit, auch Fahr­zeu­ge ohne Lenk- und Hal­te­stan­ge zuzu­las­sen. Das ist auch rich­tig. Zufrie­den sind wir mit die­ser Ver­ord­nung der Bun­des­re­gie­rung trotz­dem nicht;

(Flo­ri­an Oßner (CDU/CSU): Immer noch nicht! Sieh mal, es ist so schwie­rig, euch zufrie­den­zu­stel­len!)

sie bleibt kom­pli­ziert. Es bleibt beim deut­schen Son­der­weg, sodass Fahr­zeu­ge extra für den deut­schen Markt ent­wi­ckelt und pro­du­ziert wer­den müs­sen.

Wir als Grü­ne hät­ten uns auch vor­stel­len kön­nen, die Per­so­nen­mit­nah­me und das Mit­füh­ren eines Anhän­gers zuzu­las­sen; das haben Sie lei­der in Ihrer Ver­ord­nung nicht berück­sich­tigt. Mit Ihrer Ver­ord­nung bleibt auch vie­les im Unkla­ren: Die Mit­nah­me von Elek­tro­kleinst­fahr­zeu­gen in öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln ist bei­spiels­wei­se noch nicht gere­gelt, genau­so wenig wie die Fra­ge, ob die Kleinst­fahr­zeu­ge auch auf Feld- und Wald­we­gen genutzt wer­den dür­fen. Wir hät­ten damit kein Pro­blem; aber dazu gibt es von Ihnen noch kei­ne Aus­sa­ge. Das bedeu­tet: Obwohl jetzt ein Ver­ord­nungs­ent­wurf vor­liegt, macht die Bun­des­re­gie­rung am Ende nichts ande­res, als sowohl die Her­stel­ler als auch die Nut­zer zu ver­un­si­chern. Und das ist natür­lich kein gutes Zei­chen für eine sol­che Ver­ord­nung.

(Bei­fall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser Haupt­kri­tik­punkt zu die­ser Ver­ord­nung ist, dass ein Gut­teil die­ser Fahr­zeu­ge auch auf Geh­we­gen fah­ren soll. Wir haben eine jahr­zehn­te­lan­ge Fehl­ent­wick­lung bei der Auf­tei­lung von Ver­kehrs­räu­men. In der Regel wird zunächst ein­mal die Fahr­bahn für Autos und Lkws geplant – sie ist min­des­tens 6,50 Meter breit -, und dann wird geschaut, wie viel Platz übrig ist. Den bekom­men dann die­je­ni­gen, die zu Fuß unter­wegs sind, teil­wei­se auch die­je­ni­gen, die mit dem Rad unter­wegs sind. Geh- und Rad­we­ge sind häu­fig zuge­parkt, nicht zuletzt auch des­halb, weil die Buß­gel­der so gering sind und das Zupar­ken von Wegen als Kava­liers­de­likt gese­hen wird.

(Jörn König (AfD): Weil es zu wenig Park­plät­ze gibt!)

Die­sen begrenz­ten Ver­kehrs­raum für den Fuß- und Rad­ver­kehr wol­len Sie, sowohl die Bun­des­re­gie­rung als auch in noch grö­ße­rem Umfang die FDP mit ihrem Antrag, jetzt noch für die Elek­tro­kleinst­fahr­zeu­ge frei­ge­ben. Aber Geh- und Rad­we­ge sind kei­ne freie Ver­fü­gungs­mas­se für alle neu­en Mobi­li­täts­an­ge­bo­te.

(Bei­fall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Am Bei­spiel der Elek­tro­kleinst­fahr­zeu­ge zeigt sich die gesam­te Feig­heit der Ver­kehrs­po­li­tik bei uns in Deutsch­land.

(Zuru­fe von der CDU/CSU: Uijui­jui!)

Erst wur­de die Ver­ord­nung lan­ge ver­schleppt, dann wur­de sie unter mas­si­vem öffent­li­chem Druck end­lich vor­ge­legt, und jetzt wer­den die Elek­tro­kleinst­fahr­zeu­ge bei den schwächs­ten Ver­kehrs­teil­neh­mern abge­la­den. Damit sind Kon­flik­te vor­pro­gram­miert.

(Felix Schrei­ner (CDU/CSU): Wie läuft es denn in Baden-Würt­tem­berg?)

Und wo es Kon­flik­te gibt, wird die Akzep­tanz für die­se Fahr­zeu­ge eben nicht da sein; aber genau dar­auf kommt es an.

(Bei­fall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge­ord­ne­ten der LINKEN)

Nötig ist, dass Ver­kehrs­räu­me neu auf­ge­teilt wer­den. Ver­kehrs­räu­me müs­sen von außen nach innen ent­wi­ckelt wer­den: erst die Geh­we­ge in der erfor­der­li­chen Brei­te, dann die Rad­we­ge in einer Brei­te, die auch Elek­tro­kleinst­fahr­zeu­ge zulas­sen. Und dar­aus ergibt sich dann die mög­li­che Fahr­bahn­brei­te für Autos und Lkws.

(Bei­fall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das geht natür­lich nicht von heu­te auf mor­gen; aber wir müs­sen end­lich damit anfan­gen, die Ver­kehrs­räu­me neu auf­zu­tei­len.

(Bei­fall bei Abge­ord­ne­ten der LINKEN)

Was sofort mög­lich und für die Ver­kehrs­si­cher­heit auch not­wen­dig ist, ist, dass wir den Kom­mu­nen mehr Spiel­räu­me geben, um Tem­po 30 inner­orts aus­zu­wei­sen. Das wäre ein wesent­li­cher Bei­trag zur Ver­kehrs­si­cher­heit für alle. Aber das möch­ten weder die Bun­des­re­gie­rung noch die FDP. Die FDP möch­te die Belan­ge der Auto­fah­ren­den stär­ker als bis­her berück­sich­tigt wis­sen.

(Danie­la Klu­ckert (FDP): Wo steht denn das, Herr Gastel?)

Das ist natür­lich ein Pro­blem. Es stellt sich die Fra­ge: Was denn nun? Mehr Platz für die Elek­tro­kleinst­fahr­zeu­ge oder mehr Raum und Rech­te für die Auto­fah­ren­den? Bei­des zusam­men wird schwer mög­lich sein.

(Bei­fall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir hal­ten den Antrag der FDP in man­chen Punk­ten durch­aus für dis­kus­si­ons­wür­dig.

(Danie­la Klu­ckert (FDP): Hört! Hört!)

Wir hät­ten aber ein Pro­blem, wenn er eine Mehr­heit fän­de. Es müss­te eine neue Anhö­rung mit Ver­bän­den und Län­dern geben. Das heißt, es wür­de die­ses Jahr kei­ne Frei­ga­be für Elek­tro­kleinst­fahr­zeu­ge erfol­gen. Wir wol­len die­se Frei­ga­be aber. Des­we­gen sagen wir: Auch wenn die Ver­ord­nung nicht gut ist, soll die Bun­des­re­gie­rung sie in Kraft set­zen. Wir sehen uns an, wie sie sich aus­wirkt und bes­sern dann ent­spre­chend nach.

Abseh­bar ist aber, dass es kei­nen Sinn macht, die Elek­tro­kleinst­fahr­zeu­ge ein­fach zuzu­las­sen und an der Ver­kehrs­po­li­tik ansons­ten kei­ne Ver­än­de­run­gen vor­zu­neh­men.

(Bei­fall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brau­chen end­lich eine Regie­rung, die dem Fuß- und Rad­ver­kehr inklu­si­ve Elek­tro­kleinst­fahr­zeu­ge den nöti­gen siche­ren Ver­kehrs­raum zubil­ligt.

Vize­prä­si­den­tin Clau­dia Roth:

Und wir brau­chen das Ende der Rede.

Mat­thi­as Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Dann bekom­men alle die­se Ver­kehrs­mit­tel, die zukunfts­fä­hig, umwelt‑, kli­ma- und auch men­schen­freund­lich sind, ihre Chan­ce.

(Bei­fall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge­ord­ne­ten der LINKEN)

Hier geht es zum Video: https://dbtg.tv/fvid/7337671