Weniger Autos – Mehr Lebensqualität

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21.03.2018

Eine Kurz­fas­sung die­ser Aus­ar­bei­tung wur­de als Gast­bei­trag im Ber­li­ner Tages­spie­gel ver­öf­fent­licht

Studien ausgewertet: Weniger Autos, mehr Fußgänger, mehr ÖPNV, mehr Lebensqualität

Wie lebens­wert sind Städ­te? Was sind die Wohl­fühl­fak­to­ren, die das beein­flus­sen? Bri­ti­sche For­scher haben her­aus­ge­fun­den, dass phy­si­sche Bewe­gung auf dem all­täg­li­chen Weg zur Arbeit zu grö­ße­rem gene­rel­lem Wohl­be­fin­den führt[1]. Ein Stück des Weges zu Fuß oder mit dem Fahr­rad zurück zu legen macht glück­lich. Aber gilt dies auch für den gro­ßen Maß­stab, in dem man nicht nur sel­ber, son­dern auch vie­le ande­re weni­ger auf das Auto und mehr die alter­na­ti­ven Ver­kehrs­mit­tel set­zen?

Der soge­nann­te Modal Split gibt Aus­kunft dar­über, zu wel­chem Anteil ver­schie­de­ne Ver­kehrs­trä­ger in einer bestimm­ten Stadt oder Regi­on genutzt wer­den. Der Modal Split ver­schie­de­ner Städ­te wird regel­mä­ßig erfasst und kann in der Pra­xis als Grund­la­ge für ver­kehrs­po­li­ti­sche Ent­schei­dun­gen in den Städ­ten und Regio­nen her­an­ge­zo­gen wer­den. Zwei der umfang­reichs­ten Erfas­sun­gen des Modal Split in deut­schen Städ­ten und Regio­nen sind der Bericht „Mobi­li­tät in Städ­ten – SrV“ der Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät (TU) Dres­den und die vom Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­te­ri­um in Auf­trag gege­be­ne Stu­die „Mobi­li­tät in Deutsch­land (MiD)“. Da die Erstel­lung der Daten über den Zeit­raum eines gan­zen Jah­res sehr zeit­auf­wen­dig ist, erschei­nen umfas­sen­de Stu­di­en nur im Abstand von 5–10 Jah­ren. Zusätz­lich gibt es zahl­rei­che Modal Split-Ana­ly­sen, die teil­wei­se von ein­zel­nen Städ­ten selbst beauf­tragt wer­den. Lei­der exis­tiert kei­ne ein­heit­li­che Metho­dik, was eine Ver­gleich­bar­keit der unter­schied­li­chen Modal Split-Daten erschwert. Teil­wei­se wer­den gan­ze Regio­nen betrach­tet, in ande­ren Fäl­len ledig­lich die Innen­städ­te. In letz­te­rem Fall ist der Anteil an Fuß- und Rad­ver­kehr wesent­lich höher, wäh­rend der Auto­ver­kehr bei Betrach­tung der gesam­ten Regi­on einen grö­ße­ren Anteil vor­weist.

Um die Ver­gleich­bar­keit der Daten sicher­zu­stel­len, habe ich die Modal Split-Daten des SrV 2013[2] und MiD 2008[3] her­an­ge­zo­gen, um den Zusam­men­hang zur gefühl­ten Lebens­qua­li­tät zu betrach­ten. 2019 ist mit einer Ver­öf­fent­li­chung neu­er Daten zu rech­nen. Durch die Betrach­tung des Städ­te­ran­kings der Wirt­schafts­Wo­che eben­falls für das Jahr 2013[4], lässt sich jedoch ein punk­tu­el­ler Zusam­men­hang zu Lebens­qua­li­tät her­stel­len. Auf Basis der Daten­la­ge aus den drei ange­ge­be­nen Quel­len konn­te ich letzt­end­lich 26 Städ­te Deutsch­lands näher betrach­ten.

Das Ergeb­nis bestä­tigt in gro­ßen Tei­len mei­ne Ver­mu­tung. Die Lebens­qua­li­tät ist in den Städ­ten höher, in denen es einen gerin­gen Anteil an Auto­ver­kehr bzw. einen hohen Anteil an Fuß- oder öffent­li­chem Ver­kehr gibt. Zwei Städ­te mit sehr hoher Lebens­qua­li­tät sind bei­spiels­wei­se Mün­chen und Frank­furt. In Mün­chen wur­den 2013 37 Pro­zent, in Frank­furt sogar nur 35 Pro­zent aller Wege mit dem Auto zurück­ge­legt. Bei­de Städ­te lie­gen damit deut­lich unter dem Durch­schnitt von 41 Pro­zent der Wege, die im Modal Split auf das Auto ent­fal­len. In bei­den Städ­ten spielt der öffent­li­che Nah­ver­kehr eine über­durch­schnitt­lich wich­ti­ge Rol­le. Mit 22,5 Pro­zent in Frank­furt und 21 Pro­zent in Mün­chen liegt der Anteil des Nah­ver­kehrs in den genann­ten Städ­ten deut­lich über dem Durch­schnitt von 18 Pro­zent. Auch der Fuß­ver­kehrs­an­teil liegt in Mün­chen mit 28 Pro­zent und Frank­furt mit 29 Pro­zent leicht über dem Durch­schnitt (27 Pro­zent).

Städ­te mit ver­gleichs­wei­se nied­ri­ger Lebens­qua­li­tät wei­sen hin­ge­gen einen Modal Split auf, in dem der Auto­ver­kehr über­wiegt und der Fuß­ver­kehr eine gerin­ge Rol­le spielt. Zu die­sen Städ­ten gehö­ren bei­spiels­wei­se Bochum und Saar­brü­cken. In bei­den Städ­ten wer­den 56 Pro­zent aller Wege mit dem Auto zurück­ge­legt. Das ist im Ver­gleich zu den ande­ren unter­such­ten Städ­ten der abso­lu­te Spit­zen­wert. In bei­den Städ­ten macht der Fuß­ver­kehr etwa 23 Pro­zent aller Wege aus und liegt damit unter dem Durch­schnitt von 27 Pro­zent. Der Öffent­li­che Nah­ver­kehr hat in Saar­brü­cken mit 17 Pro­zent der Wege einen etwas höhe­ren Anteil als in Bochum mit 15,7 Pro­zent.

Allein beim Fahr­rad­ver­kehr ist es schwie­rig einen direk­ten Zusam­men­hang zwi­schen dem Modal Split und der Lebens­qua­li­tät her­zu­stel­len. Ein Grund dafür könn­te sein, dass die Rad­ver­kehrs­an­tei­le der Städ­te mit dem höchs­ten Unge­nau­ig­keits­fak­tor aller Ver­kehrs­mit­tel behaf­tet sind. Denn es gibt kein stan­dar­di­sier­tes Ver­fah­ren, um Rad­ver­kehr fest­zu­le­gen und er ist in grö­ße­rem Maße vom Wet­ter abhän­gig als ande­re Ver­kehrs­mit­tel. Obwohl hier kein sta­tis­ti­scher Zusam­men­hang her­zu­stel­len ist, kann gera­de mit Blick auf die oben erwähn­ten Stu­di­en davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass sich auch der Rad­ver­kehrs­an­teil posi­tiv auf die Lebens­qua­li­tät in Städ­ten aus­wirkt. Not­wen­dig wären regel­mä­ßi­ge­re Modal-Split-Erhe­bun­gen über län­ge­re Zeit­räu­me, um eine sta­bi­le­re Daten­grund­la­ge zu erhal­ten.

Natür­lich ist Ver­kehr nicht der ein­zi­ge Fak­tor, wel­cher die Lebens­qua­li­tät in Städ­ten bestimmt. Genau­so bedeu­tend sind etwa die Ver­füg­bar­keit bezahl­ba­ren Wohn­raums, Grün­flä­chen im Wohn­um­feld, das Kul­tur­ange­bot oder das Stadt­kli­ma. Ein Zusam­men­hang zwi­schen dem Ver­kehrs­an­ge­bot in Städ­ten und der Fra­ge der Lebens­qua­li­tät kann aber den­noch durch­aus her­ge­stellt wer­den. Dabei ist auch die Ver­kehrs- und Raum­pla­nung der poli­ti­schen Ent­schei­dungs­trä­ger maß­geb­lich dafür ver­ant­wort­lich, wel­che Ver­kehrs­trä­ger in wel­cher Inten­si­tät genutzt wer­den. Wo es einen gut aus­ge­bau­ten und ver­läss­li­chen öffent­li­chen Nah­ver­kehr gibt, bleibt das Auto eher ste­hen. Sind die Sied­lungs­struk­tu­ren der Städ­te kom­pakt und die Wege rela­tiv kurz, bewegt man sich eher mit dem Fahr­rad oder zu Fuß zu sei­nen Zie­len.

Wel­che Kon­se­quen­zen kön­nen wir dar­aus zie­hen? Die Stadt- und Ver­kehrs­pla­nung gehört strik­ter an der Lebens­qua­li­tät der Men­schen aus­ge­rich­tet. Wie das kon­kret geht? Es muss dar­um gehen, die Bus- und Bahn­an­ge­bo­te kon­se­quent aus­zu­bau­en und opti­mal auf­ein­an­der abzu­stim­men. Dem Rad- und Fuß­ver­kehr gehö­ren mehr Auf­merk­sam­keit und vor allem mehr Flä­che gewid­met. Für immer mehr Men­schen wird auf die­se Wei­se Mobi­li­tät ohne Abhän­gig­keit vom (eige­nen) Auto ein­fa­cher und attrak­ti­ver. Unse­re Luft wird dadurch sau­be­rer und gesün­der, die Lärm­be­las­tun­gen gehen wohl­tu­end zurück. Flä­chen, die heu­te noch mit Autos belegt wer­den, kön­nen man­cher­orts als Grün­an­la­gen oder durch Gas­tro­no­mie genutzt wer­den. All das bedeu­tet wie­der­um höhe­re Lebens­qua­li­tät der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger.

[1] https://www.citylab.com/transportation/2014/09/want-to-be-happier-try-walking-even-part-of-the-way-to-work/380158/

[2] https://tu-dresden.de/bu/verkehr/ivs/srv/srv-2013

[3] http://www.mobilitaet-in-deutschland.de/mid2008-publikationen.html

[4] http://www.wiwo.de/politik/deutschland/staedteranking-2013/infografik-staedteranking-2013/9116790.html