Wie sicher ist die Energieversorgung im Ländle?

21.10.2022

Gespräch mit EnBW und Bundesregierung

Wie kom­men wir ange­sichts der Gas­knapp­heit durch den Win­ter? Wie sieht es bei uns in Baden-Würt­tem­berg aus? Dar­über sprach ich in einem öffent­li­chen Video­for­mat mit Fach­leu­ten. Die Lan­des­grup­pe der Grü­nen-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten aus Baden-Würt­tem­berg hat­ten ein­ge­la­den und ich durf­te das hoch­ka­rä­tig besetz­te Gespräch mode­rie­ren: Unse­re Gäs­te waren EnBW-Vor­stands­mit­glied Dr. Georg Sta­m­ate­lo­pou­los und Staats­se­kre­tär Ste­fan Wen­zel aus dem Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um.

Laut Dr. Sta­m­ate­lo­pou­los bestä­tigt der Ukrai­ne­kon­flikt, dass sich Deutsch­lands Ener­gie­po­li­tik der letz­ten Jah­re in die fal­sche Rich­tung ent­wi­ckelt habe, die aktu­el­le Regie­rung aber die Wei­chen für eine sau­be­re und weni­ger abhän­gi­ge Ener­gie­ver­sor­gung stel­le. Die­se begrüßt Dr. Sta­m­ate­lo­pou­los auch mit dem Aus­blick, eine voll­stän­di­ge Ener­gie­un­ab­hän­gig­keit in 20 bis 30 Jah­ren zu errei­chen. Auch Ste­fan Wen­zel, der auf eine gan­ze Rei­he von bereits erfolg­te Geset­zes­än­de­run­gen für den schnel­le­ren Aus­bau der Erneu­er­ba­ren und die Beschaf­fung von Flüs­sig­erd­gas ver­wies, visiert eine ande­re Ener­gie­ver­sor­gung an, mit dem Ziel 80 Pro­zent der Ener­gie bis 2030 aus Erneu­er­ba­re Ener­gien zu gewin­nen und die Indus­trie bis dahin zu dekar­bo­ni­sie­ren. Er ver­wies dar­auf, dass wir uns in einer „fos­si­len Preis­kri­se“ befän­den.

Aktu­el­le Lage zur Ener­gie­si­tua­ti­on

Zur momen­ta­nen Ener­gie­si­tua­ti­on beton­te Ste­fan Wen­zel, dass eine Diver­si­fi­zie­rung bei der Beschaf­fung von Gas, unter ande­rem mit LNG, not­wen­dig sei, um mit gefüll­ten Spei­chern und einem EU-weit gesenk­ten Ener­gie­ver­brauch den Win­ter gut zu über­ste­hen. Für den kom­men­den Win­ter wür­den die Tem­pe­ra­tu­ren und die Pegel­stän­de in den Flüs­sen (Koh­le­an­lie­fe­rung per Bin­nen­schiff, Kühl­was­ser für Kraft­wer­ke) eine ganz beson­ders ent­schei­den­de Rol­le spie­len. Aktu­ell sind die deut­schen Gas­spei­cher fast voll. Damit wer­den 25–28 Pro­zent des gesam­ten Jah­res­ver­brau­ches abge­deckt. Kom­bi­niert mit wei­te­ren Gas­lie­fe­run­gen aus Nor­we­gen und aus den Nie­der­lan­den sowie über Frank­reich und dem Import von LNG kön­ne der Win­ter bei spar­sa­mem Ver­brauch von Erd­gas ohne ganz gro­ße Ein­schrän­kun­gen über­stan­den wer­den. Ste­fan Wen­zel ver­wies auf die Vor­aus­set­zung, dass 20 Pro­zent unse­rer frü­he­ren Ener­gie­ver­bräu­che ein­ge­spart wer­den müss­ten. Auch im Länd­le fül­len sich die Spei­cher auf der­zeit über 85 Pro­zent. Mit den geplan­ten Erspar­nis­sen und Impor­ten zei­ge eine inter­ne Pro­gno­se der EnBW, dass im März ein Füll­stand von 10 Pro­zent ver­blei­ben könn­te. Eine wei­te­re Sor­ge berei­tet unser Nach­bar Frank­reich. Seit Jah­ren wird im Win­ter Strom nach Frank­reich gelie­fert. Doch in die­sem Jahr waren durch die extre­men Wet­ter­be­din­gung und Repa­ra­tu­ren nur ca. 40 Pro­zent der fran­zö­si­schen Kern­kraft­werks­ka­pa­zi­tät ver­füg­bar. Daher muss­ten wir sogar im Som­mer Strom an Frank­reich lie­fern (im Gegen­zug hat uns Frank­reich für den Win­ter die Lie­fe­rung von Gas zuge­sagt). Noch ist unklar, wie Frank­reichs Strom-Situa­ti­on im Win­ter aus­se­hen wird. Laut Frank­reichs Über­tra­gungs­netz-Betrei­ber RTE wer­den ca. 20 Giga­watt Leis­tung feh­len, was eine klaf­fen­de Lücke in der Mit­te Euro­pas dar­stellt.

Atom­kraft in Deutsch­land

In Deutsch­land befin­den sich die letz­ten Kern­kraft­wer­ke kurz vor der Still­le­gung gemäß des Aus­stiegs­ge­set­zes. Momen­tan wird noch über eine Ver­län­ge­rung debat­tiert, damit die AKW einer Sta­bi­li­sie­rung der Ener­gie­si­tua­ti­on ins­be­son­de­re im Süden der Repu­blik die­nen. Für eine Ver­län­ge­rung eines AKWs gibt es zwei Mög­lich­kei­ten auf Basis der weit­ge­hend abge­brann­ten Brenn­stä­be: Ein­mal den Steck­be­trieb, bei dem das Atom­kraft­werk geord­net abge­fah­ren wird. Dafür wird die Leis­tung redu­ziert, damit der Betrieb hin­aus­ge­zö­gert wer­den kann. Für die­ses Ver­fah­ren müss­te das AKW bereits im Okto­ber auf 60 Pro­zent Leis­tung gesenkt wer­den, um dann bis ca. Febru­ar auf 30 Pro­zent betrie­ben wer­den zu kön­nen und danach dann abge­schal­tet wird. Als zwei­te Mög­lich­keit bie­tet sich eine Neu­kon­fi­gu­ra­ti­on an. Dafür muss das AKW für zwei Wochen still­ge­legt wer­den, damit der momen­ta­ne Kern mit benutz­ten Brenn­ele­men­ten neu kon­fi­gu­riert wer­den kann, was dann zu einem ähn­li­chen Sze­na­rio wie im ers­ten Fall führt. Das AKW wür­de dann mit auf 70 Pro­zent redu­zier­ter Leis­tung arbei­ten und dann bis ca. Mit­te April auf 30 Pro­zent Leis­tung sin­ken und schließ­lich abge­schal­tet. Eine län­ge­re Lauf­zeit ist in Deutsch­land schwer mög­lich. Eine Brenn­zel­le hat ca. ein Jahr Lie­fer­zeit. Deutsch­land ist für Atom­strom extrem abhän­gig von rus­si­schem Uran. Die Wirt­schaft hat sich seit 2011 auf den Atom­aus­stieg vor­be­rei­tet. Es wur­de seit­her nur begrenzt aus­ge­bil­det, es gibt immer noch kei­ne end­gül­ti­ge Lösung für die Abfall­ent­sor­gung und es besteht wei­ter­hin das Risi­ko einer ato­ma­ren Kata­stro­phe. Eine Renais­sance der Atom­ener­gie her­bei­zu­füh­ren ist bei­na­he unmög­lich – und aus grü­ner Sicht abso­lut nicht ver­tret­bar. Atom­kraft kann auch mit höchs­ten Sicher­heits­stan­dards immer nur mit Rest­ri­si­ken betrie­ben wer­den und ist, wie unser EnBW-Refe­rent es eben­falls aus­drück­te, „die kom­pli­zier­tes­te Form der Strom­erzeu­gung“.

Grü­ne Zukunft
Um in eine Zukunft ohne Atom­strom steu­ern zu kön­nen, lie­gen bereits ambi­tio­nier­te Plä­ne vor. Bis 2025 soll Off­shore- und Inland-Wind­kraft ver­dop­pelt wer­den. Rund zwei Pro­zent der Land­flä­che soll für Wind­kraft zur Ver­fü­gung gestellt und der Ener­gie­ge­winn aus Pho­to­vol­ta­ik soll ver­drei­facht wer­den. Dafür müss­ten jeden Tag sie­ben Wind­tur­bi­nen auf­ge­stellt wer­den. Auch Koope­ra­tio­nen mit den Nach­bar­län­dern sind geplant. So soll in der Nord­see ein Wind­park mit Frank­reich und Irland zusam­men ent­ste­hen, der 260 Giga­watt Strom pro­du­zie­ren soll. Die Regie­rung möch­te Wind­park Pro­jek­te in der Nord­see unter­stüt­zen, um bis zu 70 Giga­watt Off­shore zu pro­du­zie­ren. Ziel die­ser Pro­jek­te ist es, bis 2030 80 Pro­zent der Ener­gie aus Erneu­er­ba­ren zu gewin­nen und gleich­zei­tig den letz­ten Schritt für 100 Pro­zent Erneu­er­ba­re vor­zu­be­rei­ten.

Hin­weis: Die Ver­an­stal­tung fand bereits Mit­te Sep­tem­ber statt. Ange­sichts der hohen Dyna­mik die­ses The­mas kann die­ser Bei­trag kei­nen Anspruch erhe­ben, am Ver­öf­fent­li­chungs­da­tum noch in allen Punk­ten aktu­ell gewe­sen zu sein.