07.09.2020
Besuch bei Alstom in Salzgitter
Alstom ist eines der Unternehmen, das in Deutschland Bahntechnologie und Züge entwickelt und produziert. Darunter befindet sich der Coradia iLints, ein Brennstoffzellenzug. Ich habe das Unternehmen in Salzgitter (Niedersachsen) besucht.
Alstom stellt Infrastruktur‑, Signal- und digitale Mobilitätslösungen für den Bahnsektor her und bietet auch Wartung und Service an. Das Unternehmen beschäftigt an sechs Standorten in Deutschland 2.500 Mitarbeitende. Im Mittelpunkt meines Besuches stand der „Wasserstoffzug“. Der iLint wandelt Wasserstoff und Sauerstoff in den Brennstoffzellen in Strom um. Dieser wird in Akkus gespeichert und von dort für den Antrieb entnommen. Der Zug wurde 18 Monate lang auf der Strecke Buxdehude – Bremervörde – Bremerhaven – Cuxhaven im Fahrgastbetrieb getestet. Dieser Test mit Vorserienfahrzeugen endete im Februar. Seither sind wieder Dieselzüge unterwegs. Ab 2022 soll sollen die Dieseltriebzüge durch 14 iLint-Serienzüge ersetzt werden. Alstom übernimmt dann für 30 Jahre die Instandhaltung und gemeinsam mit Linde die Energieversorgung. Dafür wird nahe des Bahnhofs Bremervörde eine Wasserstofftankstelle errichtet. Einen kleinen, zehntägigen Test mit Maximalgeschwindigkeiten von 140 Stundenkilometer gab es auch in den Niederlanden, allerdings nachts und ohne Fahrgäste.
Das Unternehmen preist seinen Zug mit drei Vorteilen an: Geringe Lärmbelastung, lokal null Emissionen (außer Wasserdampf) und gute Integrationsfähigkeit in bestehende Fahrzeugflotten. Er sei speziell für den Einsatz auf nicht elektrifizierten Strecken entwickelt worden und leiste eine Reichweite von 1.000 Kilometern, wie auch Dieselzüge. In Deutschland hat Alstom eigenen Angaben zufolge bereits 41 Coradia iLints verkauft. Auch für Italien könnten die Brennstoffzellenzüge gebaut werden; die Verhandlungen laufen noch.
Die großen Streitpunkte sind die Herkunft des Wasserstoffs und die Wirtschaftlichkeit im Vergleich mit Diesel- und batterieelektrischen Zügen. Weitgehend Konsens ist, dass der Wasserstoff erneuerbar, also aus Ökostrom erzeugt sein muss. Das Verfahren, um Wasserstoff aus Strom zu erzeugen (Elektrolyse), ist aber noch und vermutlich noch sehr lange sehr teuer. Wegen der hohen Umwandlungsverluste wird sehr viel Strom benötigt. So wird auch die Tankstelle in Bremervörde per Lkw überwiegend mit Wasserstoff beliefert, der auf Basis von Erdgas erzeugt wurde. Das ist relativ preiswert, aber ökologisch unsinnig. Zur Verärgerung von Alstom (und auch Siemens, das ebenfalls Brennstoffzellen-Züge bauen möchte) hat eine Studie des Verbandes der Elektrotechnik (VDE) ergeben, dass diese Antriebstechnologie in der Betrachtung eines 30-Jährigen Lebenszyklus unwirtschaftlich ist. Als Gründe werden die hohen Energiekosten und die hohen Austauschkosten für Brennstoffzellen genannt. Die Kritik an der Studie wiederum lautet, man habe mit Düren ein nicht repräsentatives Netz betrachtet, weshalb sich das Ergebnis nicht verallgemeinern lässt. Seitens Alstom wurde uns (ich war mit einer grünen Besuchergruppe dort) die Einschätzung mitgeteilt, dass der Akkuzug auf Distanzen von bis 100 oder auch 200 Kilometer gegenüber dem „Wasserstoffzug“ wirtschaftlich im Vorteil sein dürfte, auf längeren Distanzstrecken sich das Blatt aber wende. An der Brennstoffzelle könnten einzelne (defekte) Teile ausgetauscht werden, was keine allzu hohen Kosten verursachen würde. Dies könne mit Blick auf die Lebensdauer der Brennstoffzelle nach etwa acht Jahren erforderlich werden. Interessant, und da sind sich hoffentlich alle einig, ist die Feststellung der Gutachter, dass spätestens ab 2025 keine neuen Dieselzüge mehr in Betrieb gehen sollten, weil sonst die Klimaziele für 2050 nicht gehalten werden können.
Mein Abschlussfazit: Die Bahn ist auf vielen Strecken die umweltfreundliche Alternative zu Auto, Lkw und Flugzeug. Was es braucht ist ein Ausstiegspfad für den Dieselantrieb und den Bahnstrom aus Kohle. Wir brauchen mehr elektrifizierte Strecken und für die Strecken ohne Oberleitung den Einsatz von batterieelektrischen oder Brennstoffzellen-Zügen. Woher die Energie für den Antrieb stammt ist maßgeblich für die Umweltbilanz, die sich noch steigern lässt und gesteigert werden muss.