12.09.2022
Drittes Entlastungspaket auf dem Weg
Die Inflation in Deutschland liegt seit einigen Monaten bei 7,5 bis 7,9 Prozent. Getrieben wird sie von den Energie- und Lebensmittelpreisen. Für Bürger*innen wie Unternehmen sind damit erhebliche Mehrbelastungen verbunden. Der Bund hat daher ein drittes Entlastungspaket auf den Weg gebracht.
Bis März 2021 lag die Inflationsrate über zwei Jahre hinweg immer unter zwei Prozent, teils sogar im Minusbereich. Seit Juli 2021 (+3,8 Prozent) geht die Kurve meist nach oben. Im November 2021 schnellte sie auf über fünf Prozent. Am stärksten verteuert haben sich aktuell Heizöl und Speiseöle (um jeweils über 80 Prozent gegenüber dem Vorjahr). Brennholz, Erdgas und Butter wurden um rund 60 Prozent teurer. Es gab jedoch auch Produkte, deren Preise nahezu unverändert blieben oder gar günstiger geworden sind, so Kleidung, einige technische Geräte und zugehörige Dienstleistungen. Das Neun-Euro-Ticket ließ die Preise im öffentlichen Nahverkehr für drei Monate deutlich sinken (minus 63 Prozent).
Das dritte Entlastungspaket in der kurzen Übersicht
Das Paket hat ein Volumen von 65 Milliarden Euro. Aus meiner Sicht besonders zu begrüßen sind: Rentner erhalten nun ebenfalls 300 Euro Energiepauschale, Studierende erhalten 200 Euro einmalig als Heizkostenzuschuss, der Kreis der Wohngeldberechtigten wird ausgeweitet, Wohngeldberechtigte erhalten einmalig 415 Euro Heizkostenzuschuss (plus 100 Euro pro weitere Personen), die Grundsicherung nach Arbeitslosengeld 2 wird ab Januar (dann als Bürgergeld) um etwa 50 Euro erhöht (dies ist zwar nicht ausreichend, aber die stärkste Erhöhung in der Geschichte des ALG 2![1]), die Grenze für die sog. „Midi-Jobs“ wird ab Januar auf 2.000 Euro erhöht und das Kindergeld um 18 Euro pro Monat, ebenfalls ab Januar. Der Abbau der kalten Progression ist im Grundsatz richtig, jedoch hätte das Geld in dieser prekären Lage zielgerichteter für die noch stärkere Entlastung der Menschen mit wenig Geld und mittleren Einkommen eingesetzt werden können[2]. Einige der im Grundsatz beschlossenen Maßnahmen sind derzeit noch unkonkret und setzen zunächst Gespräche auf EU-Ebene voraus. Hierzu gehört eine steuerliche Abschöpfung von Zufallsgewinnen, deren Erlöse für eine Strompreisbremse genutzt werden sollen. Unklar bleibt derzeit auch noch, ob eine Nachfolgelösung fürs Neun-Euro-Ticket zustande kommen wird. Gespräche hierüber mit den Ländern sind angelaufen. Als Bahnpolitiker freue mich darüber, dass es uns gelungen ist, zusätzliche 1,5 Milliarden für Investitionen in die Schiene zu erstreiten. Für fragwürdig halte ich, dass der nächste Schritt in der Bepreisung von CO 2 verschoben wird und die Umsatzsteuer auf Erdgas gesenkt wird. Aus den Erfahrungen mit der Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoff wissen wir, dass derartige Steuersenkungen nicht unbedingt (in vollem Umfang) weiter gegeben werden. Zudem geht ein falsches Signal aus, wenn wir Steuern auf fossile Energieträger, aus denen wir aussteigen wollen und müssen, senken.
Mein Fazit: Wir haben ein sehr umfangreiches Paket zur Entlastung von Privatpersonen und Unternehmen auf den Weg gebracht. Die Ampelkoalition hat damit ihre Handlungsfähigkeit in einer schwierigen Situation bewiesen. Aus meiner Sicht wären weniger, aber zielgenauere Instrumente besser gewesen, die sich an Menschen mit wenig Geld bzw. niedrige bis mittlere Einkommen ausrichten. Hierbei denke ich insbesondere an höhere Direktzahlungen.
Was ist mit kleinen und mittleren Unternehmen?
Den Unternehmen, die von hohen Energiepreisen besonders betroffen sind und im internationalen Wettbewerb stehen, wurde und wird bereits geholfen (Zuschüsse nach dem Energiekostendämpfungsprogramm). Nun sollen die Hilfen auch auf weitere Unternehmen ausgeweitet werden.
Von den drei Entlastungspaketen im Gesamtumfang von rund 100 Milliarden Euro profitieren letztlich alle Unternehmen, sei es direkt oder indirekt. Sie profitieren beispielsweise von der preisdämpfenden Wirkung durch die Abschaffung der EEG-Umlage, häufig auch durch den Abbau der kalten Progression oder durch die Verlängerung der Senkung der Umsatzsteuer in der Gastronomie. Sie profitieren vielfach auch davon, dass wir durch die Entlastungen derer, die bei ihnen einkaufen, zumindest einen Teil der Kaufkraft erhalten. Ohne diese Entlastungen müssten die Kundinnen und Kunden, auf die beispielsweise der Einzelhandel angewiesen ist, noch höhere Anteile ihres verfügbaren Geldes für die Energie-Mehrkosten aufwenden und hätten diese nicht zum Konsum zur Verfügung. Von der Verlängerung der Sonderregelungen beim Kurzarbeitergeld können Unternehmen, die ihre Produktion zurück fahren müssen, Gebrauch machen. In Anspruch genommen werden können auch die Hilfen der KfW, um die Liquidität zu sichern.
Wir werden ein 4. Entlastungspaket in Angriff nehmen, sollten sich die drei bisherigen als nicht ausreichend erweisen, um Härten ausreichend abzufedern. Es soll im Winter niemand frieren müssen und kein zukunftsfähiges Unternehmen soll an der Krise zerbrechen.
Auch an dieser Stelle ist anzumerken, dass kein Entlastungspaket den Anspruch oder auch nur das Ziel verfolgen kann, Ausgleiche für alle Preissteigerungen zu gewährleisten. Vielmehr lautet der Anspruch, besondere Härten zu vermeiden. Das Ziel muss sein, dass (fossile) Energie eingespart wird. Hierzu verweise ich auf diesen Beitrag auf meiner Homepage, in dem ich auch aufzeige, wie ich persönlich Energie spare: https://www.matthias-gastel.de/wie-wir-bundesweit-aufs-energiesparen-setzen/
Zum Thema „Energiesicherheit“ verweise ich auf diesen Beitrag: https://www.matthias-gastel.de/atomkraftwerke-fuer-den-bedarfsfall/
[1] Die FDP wollte gar keine Erhöhung, die SPD hielt sich eher zurück.
[2] Personen meiner Einkommensklasse bedürften keiner Entlastung.